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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Aufregung legte, besonders da niemand wußte, daß außer dem Diener jemand, den man in Verdacht nehmen konnte, bei ihm gewesen war.
    „Und Sie glauben, daß der Vater noch zu retten ist?“ fragte Rosa ängstlich.
    „Ja“, antwortete er mit Zuversicht. „Dieses Gift hat in kleinen Gaben die Eigenschaft, daß es wahnsinnig macht, indem es das Gedächtnis suspendiert. Als der Kastellan den Grafen getroffen hat, stand Don Emanuel an dem Moment, an welchem das Gedächtnis schwindet. Er hat nur die letzte menschliche Erscheinung, welche ihm vor Augen kam, festgehalten und glaubt daher, daß er der Kastellan sei. Einen anderen Namen, eine andere Existenz kennt er nicht. Ich mußte nun sehen, ob die Erinnerung vollständig, ohne eine kleine Spur zurückzulassen, verschwunden sei; darum sprach ich so streng zu ihm, um sogar die Angst wirken zu lassen. Es war vergeblich. Die zwei unendlich fein zerteilten Tropfen des Giftes sind bereits vollständig in sein Blut und Hirn übergegangen. Ich entlaste das letztere durch spanische Fliegen und Senfteige und entgifte das erstere teilweise durch eine möglichst große Blutentziehung. Das nun noch in dem Körper befindliche Gift werde ich durch ein Gegengift bekämpfen, welches ich leider noch nicht besitze. Ich kann mich nur dann in den Besitz desselben setzen, wenn jemand bereit ist, sich für Don Emanuel aufzuopfern.“
    „Aufzuopfern?“ fragte Rosa. „Oh, es wird mir nichts zu teuer sein, um es für den Vater hinzugeben, selbst das Leben nicht!“
    „Gnädige Contezza, ich verlange nicht das Leben eines Menschen, und doch ist das, was ich haben will, selbst von der opferfreudigsten Dame nicht zu haben, sondern höchstens von einem robusten Menschen, der allerdings eine Lebensgefahr, einen ungewöhnlichen Schmerz nicht scheut und sich mir anvertraut.“
    „Suchen Sie ihn, suchen Sie ihn!“ rief Rosa. „Ich werde ihn reich belohnen. Welches Mittel meinen Sie?“
    „Don Emanuel kann nur durch den Schaum eines zu Tode gekitzelten Menschen gerettet werden. Dieser Schaum ist eines der stärksten Gifte und gibt, mit Capsicum vermischt, das einzige Gegenmittel zu Pohon Upas. Zu Ihrer Beruhigung bemerke ich, daß es auch genügt, einen Menschen so lange zu kitzeln, bis die ersten Zeichen der Tollwut eintreten. Befände sich ein Sachverständiger hier, der den Vorgang zu leiten und die Medizin zu bereiten versteht, so würde ich keinen Augenblick zaudern, mich selbst zur Verfügung zu stellen. Da dies aber nicht der Fall ist und ich vielmehr als Arzt unentbehrlich bin, so müssen wir uns nach einem mutigen Menschen umsehen, der es wagt, die Qualen einer so fürchterlichen Folter zu übernehmen.“
    „Ach, wer wird das tun?“ klagte die Gräfin.
    „Lassen Sie es unter den Bewohnern des Schlosses und Dorfes bekannt machen. Wir müssen den Grafen heilen, um seiner selbst willen und um den Giftmischer zu entdecken. Ich zweifle gar nicht, wenn Don Emanuels Gedächtnis wiederkehrt, so wird er sich auf irgendeinen Umstand besinnen können, der zur Entdeckung des Täters führen wird.“
    „Auch ich befürchte, daß kein Mensch sich melden wird, da das Mittel so schrecklich ist“, bemerkte Amy.
    Da trat der Kastellan, welcher einige Handreichungen getan hatte, zu seiner Frau, die mit zugegen war.
    „Elvira“, fragte er, „nicht wahr, du hast den gnädigen Grafen lieb?“
    „Ja, sehr!“ antwortete sie.
    „Und die liebe, gute Contezza auch?“
    „O sehr; das weißt du ja, mein lieber Alimpo!“
    „Und du würdest gern alles tun, um sie zu erfreuen?“
    „Ja, das versteht sich!“
    „Nun gut, meine liebe Elvira; ich werde mich melden!“
    Alle waren erstaunt über diese Heldenmütigkeit des sonst keineswegs sehr tapferen Mannes. Aller Augen ruhten auf der Kastellanin, und alle waren begierig, ihre Antwort zu hören. Sie bemerkte dies und wendete sich mit einem stolzen Blick zu ihrem Mann.
    „Alimpo“, sagte sie, „ich weiß, daß du kühn und verwegen bist. Ich habe oft um dich gezittert und deinen Mut mit aller Gewalt in den Schranken gehalten; hier aber habe ich nichts dagegen. Laß dich immerhin auf die Folter legen, du wirst Don Emanuel erretten, und ich werde stolz auf dich sein.“
    Das war weit mehr, als man von diesen beiden guten Leuten hätte ahnen können. Hätte man nicht Rücksicht auf den Kranken zu nehmen gehabt, so hätte man ihren Entschluß mit lautem Jubel belohnt. Aller Hände streckten sich ihnen entgegen; der Arzt aber, welcher es vermied, sich

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