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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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rekognoszieren.“
    Er trat zu einer Tür, welche er geräuschlos einen Spaltbreit aufzog, so daß er in das nebenanliegende Gemach blicken konnte. Er winkte Garbo herbei und fragte ihn flüsternd:
    „Blicke hinein! Getraust du dich?“
    Der Gitano trat an den Türspalt, warf einen Blick in das Nebenzimmer und sagte leise:
    „Ja, sofort.“
    „Aber ohne bemerkt zu werden und die Mädchen zu wecken!“
    „Jawohl! Ihr könnt uns vollständig trauen!“
    „So holt ihn heraus.“
    In der Nebenstube lag der kranke Graf. Er hatte ganz das Aussehen einer Leiche und regte sich nicht. Auf einem Diwan saßen Rosa und Amy, beide in einen festen Schlaf versunken. Das Herzeleid des heutigen Tages hatte beide so ermattet, daß sie nicht erwachten, als der Zigeuner hinüberhuschte und zunächst die Lampe verlöschte, welche das Krankenzimmer erleuchtete.
    Sofort folgten ihm die anderen. Der Advokat blieb zurück und lauschte. Er hörte nicht das allergeringste Geräusch, nicht einmal das leise Rauschen einer Falte des Bettes. In der nächsten Minute schon kehrten sie zurück, eine regungslose Last in den Händen.
    „Schließt wieder zu, Señor“, bat der Zigeuner, „und leuchtet dann.“
    Man verfolgte denselben Weg, den man gekommen war, und gelangte unangefochten bis zur Eiche zurück. Der Advokat hatte weder einen Atemzug noch irgendeine Bewegung des Grafen bemerkt. Darum fragte er:
    „Ist er bereits tot?“
    „Ich glaube“, erwiderte Garbo. „Um ihn ruhig zu erhalten, mußte ich ihn ein wenig fest anfassen. Ich denke, es ist eins. Nicht. Señor?“
    „Ja“, antwortete der Advokat, indem er sich eines leisen Schauders doch nicht erwehren konnte. „Also ihr wißt, wohin ihr ihn zu schaffen habt.“
    „Versteht sich.“
    „Und wenn die Belohnung darauf ausgesetzt wird, meldest du dich, Garbo.“
    „Tragt keine Sorge, Señor! Seid Ihr mit uns bisher zufrieden?“
    „Vollständig.“
    „So bitte ich mir das Geld aus.“
    „Hier ist es. Wenn ich mit euch zu sprechen habe, werde ich euch aufsuchen. Gute Nacht.“
    „Gute Nacht, Señor!“
    Sie entfernten sich mit ihrer Last und fanden am Ende des Parks einen kleinen Handwagen, den sie hier versteckt hatten. Der Graf wurde auf denselben gelegt und vorsichtig weitertransportiert, bis man die Nähe des Zigeunerlagers erreichte.
    Dort stießen sie auf eine Gruppe stiller Gestalten, deren eine sich bei ihrer Annäherung erhob. Es war die alte Zigeunermutter.
    „Ist es gelungen?“ fragt sie.
    „Vollständig“, antwortete Garbo.
    „Und der Graf?“
    „Er ist ohnmächtig.“
    „Hier sind Kleider für ihn. Zieht sie ihm an. Dann kommt er auf deinen Wagen, Garbo, und du bringst ihn sofort aus dem Land hinaus. Aber ich binde dir sein Leben auf die Seele! Und hier liegt die Leiche. Wir haben sie bereits ausgezogen. Legt ihr die Wäsche und alles an, was Don Emanuel jetzt trägt, und dann fort mit ihr.“
    Unterdessen war auch der Advokat nach dem Schloß zurückgekehrt, aber sehr, sehr langsam und vorsichtig. Er war gewitzigt worden und hatte in der Nähe der Eiche einen Federbesen versteckt gehabt, welchen er jetzt benützte, die Spuren zu verwischen. Er erreichte sein Zimmer, ohne von jemand bemerkt zu werden, legte sich aber nicht zum Schlaf nieder, da er in jedem Augenblick den Hilferuf der beiden Damen erwarten konnte.
    Aber es blieb alles still. Der Morgen tagte, und er hatte sogar nun Zeit, in dem Park nachzusehen, ob die Vertilgung der Spuren ihm auch wirklich gelungen sei.
    Doktor Sternau hatte darauf bestanden, die Nacht bei dem Kranken zuzubringen, aber Rosa hatte ihm seinen Wunsch nicht erfüllt, sondern mit der Freundin die Nachtwache übernommen. Wie bereits bemerkt, waren sie zu ermüdet gewesen und so fest eingeschlafen, daß sie erst erwachten, als die Sonne bereits über den Horizont getreten war.
    Auch Sternau war erwacht. Die Sorge um seinen Patienten hatte ihm keine Ruhe gelassen. Er erhob sich von seinem Lager, kleidete sich an und begab sich zu Graf Emanuel. Das Vorzimmer war von innen nicht verschlossen. Er trat ein und hörte in demselben Augenblick aus dem Krankenzimmer einen zweistimmigen Doppelschrei.
    Sogleich etwas Ungewöhnliches ahnend, eilte er hinzu und fand die beiden Mädchen vor dem leeren Krankenbett stehend.
    „Ah! Wo ist der Graf?“ fragte er.
    „Ja, mein Gott, wo ist der Vater?“ rief Rosa.
    „Sie haben geschlafen?“
    „Leider“, gestand sie, tief errötend.
    „Wir beide zu gleicher Zeit“, fügte Amy hinzu.
    Sternau

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