42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers
sich erst, daß sie unbelauscht seien, und dann begannen sie ihr Gespräch, von welchem das Wohl und Wehe der besten Menschen abhing.
„Habt Ihr Euch nach dem Befinden des Grafen erkundigt?“ fragte Zarba.
„Ja. Er muß sterben.“
„Wie habe ich das zu verstehen? Muß er durch seine Krankheit sterben?“
„Nein.“
„Wodurch sonst?“
„Durch euch.“
„Ah! Das wird sehr viel kosten.“
„Wieviel?“
„Don Emanuel ist ein Graf!“
„Mache es kurz!“
„Und unendlich reich!“
„Ich sage, du sollst es kurz machen! Wieviel verlangst du?“
Die Zigeunerin tat, als ob sie sich besinne, und sagte dann:
„Wieviel bietet Ihr?“
„Ich biete nichts. Du hast zu fordern.“
„Die Bezahlung hängt auch von der Schwierigkeit der Arbeit ab.“
„Das weiß ich“, meinte der Advokat. „Ich habe mir alles sehr reiflich überlegt. Don Emanuel muß zerschmettert werden.“
„Zerschmettert. Beim Himmel, das ist ein sonderbares Verlangen. Warum denn gerade das?“
„Weil er wahnsinnig ist.“
„Ah, ich verstehe! Er wird als Wahnsinniger bewacht; es gelingt ihm aber, seine Wächter zu täuschen; er entkommt und stürzt von irgendeinem Felsen. Ist es so richtig?“
„Geradeso denke ich es mir“, antwortete der Notar.
„Wie aber kommen wir an ihn, wenn er bewacht wird?“
„Eigentliche Wächter hat er nicht. Nur der Arzt oder seine Tochter sind bei ihm. Sie befinden sich meist im Nebenzimmer. An die andere Seite des Krankenzimmers stößt die Bibliothek, zu welcher ich den Nachschlüssel besitze. Ich lasse euch ein, und das weitere ist dann Sache deiner Leute.“
„Garbo wird sie anführen.“
„Er ist befähigt zu solchen Streichen. Also was kostet die Sache, wenn sie gelingt?“
„Zehntausend Duros.“
„Waaaas! Du bist zehntausendmal verrückt!“
„Señor, Ihr kennt mich! Ich bin teuer, aber ich arbeite gut und sorgfältig.“
„Das weiß ich.“
„Ferner müßt Ihr bedenken, welchen Wert der Tod des Grafen für Euch hat, Don Gasparino!“
„Hm! Und wie soll diese Summe bezahlt werden?“
„Ich hole sie mir von Euch erst nach gelungener Tat. Seht Ihr nun, daß ich ehrlich bin?“
„Ja, ja, du arbeitest allerdings anders als der Capitano, der sich die Hälfte vorauszahlen läßt und dann den Auftrag nicht ausführt.“
„Er sollte sich schämen. Aber sagtet Ihr nicht, daß ich mir den Namen Sternau merken solle?“
„Ja.“
„Ist es der Arzt?“
„Kein anderer.“
„Was ist's mit ihm?“
„Auch er muß fort!“
„Wann?“
„Nicht sogleich. Zwei Todesfälle würden zu auffallend sein.“
„Und wie soll er sterben?“
„Das werden wir später noch besprechen.“
„Also handelt es sich jetzt nur um Don Emanuel. Wann soll dies geschehen, Señor Cortejo?“
„Morgen.“
„Wo treffen wir uns?“
„Gerade hier wieder.“
„Zu welcher Stunde?“
„Auch gerade zur jetzigen Zeit; um Mitternacht. Bist du vielleicht selbst mit dabei?“
„Nein“, antwortete sie. „Solche Aufgaben sind nur für Männer. Ist Euch Garbo nicht sicher genug?“
„O ja.“
„So schlaft wohl. Señor!“
„Gute Nacht!“
Sie schieden. Der Advokat schlich sich nach dem Schloß zurück, welches er auch unbemerkt erreichte, und die Zigeunerin suchte ihr Lager zu erreichen, aber nicht allein. Kaum hatte sich nämlich der Notar entfernt, so erhob sich hinter dem Stamm der Eiche eine dunkle Gestalt.
„Hast du alles gehört, Garbo?“ fragte die Zigeunermutter.
„Ja, alles.“
„Also dieser Señor Sternau, unser Schützling, soll sterben?“ höhnte sie.
„Hahaha!“ lachte der Gitano in sich hinein.
„Und der Graf! Möchtest du ihn töten?“
„Nein, Zarba.“
„Aber zehntausend Duros!“
„Ich habe darüber nachgedacht“, flüsterte der Zigeuner geheimnisvoll.
„Ah, du hast einen Gedanken?“
„Einen vortrefflichen!“
„So laß ihn hören!“
„Als ich heute drüben in Loriba war, hörte ich, daß morgen der Bäcker begraben wird.“
„Ah! Ich verstehe bereits“, meinte die schlaue Alte.
„Den Bäcker graben wir aus –“
„Ziehen ihm die Kleidung des Grafen an –“
„Und stürzen ihn vom Felsen.“
„So wird es gehen, Garbo. Was aber tun wir mit dem Grafen?“
„Den verbergen wir. Er kann uns später eine große Summe Geldes einbringen.“
„Verbergen, ja; aber wo?“
„Bei meinem Freund Gabrillon auf dem Leuchtturm.“
„Wirklich, das geht! Da hinauf kommt kein Mensch; da wird ihn niemals jemand suchen.“
„Also
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