43 - Der Triumph von Scorpio
ihnen knapp zu, als ich in den Segeltuchvorraum trat. Wie jede vernünftig arbeitende Dienerschaft schützten Satras Kämmerer die Königin mit so vielen Barrieren vor der Außenwelt, wie man sich nur vorstellen kann. Die dicken Mauern fehlten ihnen; sie hatten nur Segeltuch gehabt, und trotzdem war es ihnen gelungen, ein beeindruckendes Labyrinth zu erschaffen. Ich lockerte mein Rapier, als ich durch den Zeltbahnkorridor schritt.
Sie hätten wirklich warten sollen, bis ich den Durchgang zu den anderen Zelten am gegenüberliegenden Ende erreicht hätte. Es waren vier Männer und eine Frau, und sie waren viel zu ungeduldig. Viel zu keck. Eine Bewegung in der Öffnung des sich anschließenden Zelttunnels lenkte meinen Blick von den fünf Möchtegern-Meuchelmördern ab. Mevancy stand dort. Man hatte ihr die Arme auf den Rücken gedreht, und ihr Gesicht war zornrot. Sie wurde von zwei weiteren Männern gehalten, und eine Frau hielt ihr einen Dolch an die Kehle. Also bot sich ein ganz klares Bild.
Alle trugen Gewänder von so dunklem Blau, daß sie fast schwarz wirkten. Sie waren wenigstens so höflich, schwarze Halbmasken zu tragen. Ich wußte nicht genau, wie gut die Meuchelmörder zu Satras Zeit gewesen waren. Vermutlich waren sie erstklassig, zog man ihre Beschäftigungsmöglichkeiten in Betracht. Die Stikitches waren in Scharen erschienen, um mit einem Mädchen und einem Mann fertigzuwerden.
Meine Hände senkten sich auf die Waffen an meiner Seite. Ich bewegte mich langsam und mit Bedacht. Ich zog die Klingen nicht wie ein draufgängerischer Schwertkämpfer, der sich blindlings in den Kampf stürzt. Rapier und Main-Gauche waren noch nicht ganz aus der Scheide, als der erste Bursche ein leises, überraschtes Grunzen ausstieß.
Er hielt einen Lynxter, das gerade Hieb- und Stichschwert Lohs. Er ließ ihn fallen und hob beide Hände an die Brust, um den langen lohischen Pfeil zu packen, der dort steckte. Die Befiederung war rot und golden, wie die Befiederung von Königin Satras Bogenschützenleibwache.
Bevor der Bursche auf den Zeltboden flog, wurden der Mann neben ihm, die Frau und der Meuchelmörder auf der anderen Seite von sauber gezielten Pfeilen durchbohrt. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß einer von Satras Wachen die Pfeile abgeschossen hatte.
»Könntest du bitte etwas zur Seite zu gehen, mein alter Dom?«
Ich gehorchte; ein Pfeil sauste an mir vorbei und bohrte sich in das Gesicht des fünften Stikitche.
»Ich hoffe doch«, sagte ich, ohne den Kopf zu drehen, »daß du Satras Bogenschützen keinen Schaden zugefügt hast.«
»Auf keinen Fall! Der zweite hat mir freudig seinen Bogen überlassen – ehrlich!«
Ich ersparte mir die Frage nach dem ersten. Ich starrte Mevancy an, die man mit Gewalt aus dem angrenzenden Zelttunnel führte. Der Dolch an ihrer Kehle sah verdammt scharf aus ... Nein, er flog durch die Luft, und die Frau kreischte, da ein Pfeil ihre Hand durchbohrt hatte.
Bevor ich etwas unternehmen konnte – schließlich war ich ja nur ein armseliger Schwertkämpfer –, erledigten zwei weitere Pfeile die verbliebenen Stikitche. Sie waren nicht alle tot, denn Seg war nicht dumm, auch wenn es offensichtlich war, wer sie beauftragt hatte.
»Nun haben wir die Fähigkeiten der hiesigen Stikitches kennengelernt«, sagte Seg. Er trat neben mich und schüttelte leicht den Bogen. »Nicht schlecht, wirklich nicht schlecht.« Für ihn war es ein hohes Lob.
Die Frau machte keine Anstalten, den Pfeil aus sich herauszuziehen – damit hätte sie sich die Hand für immer ruiniert. Statt dessen packte sie die verwundete Hand mit der anderen, sprang auf die Beine und lief los.
»Ich glaube wirklich nicht ...« sagte Seg.
»Ich auch nicht«, meinte ich.
»Erschießt diese bösartige Shint!« schrie Mevancy.
Die Frau bog um die Zeltecke, und die Gelegenheit war vorbei.
»Man braucht wohl nicht zu fragen, ob du in Ordnung bist, Hühnchen.«
»Also gut! Ich ... Ich ...« Sie keuchte leicht und schob sich das Haar aus dem Gesicht. »Ich kann dir sagen, Kohlkopf, als der Dolch dieser Frau meine Kehle küßte, war es wie ... Nun, sieh!« Sie nahm die Hand von der Kehle. Ihre Finger waren feucht. »Diese Shint hat mich geschnitten!«
»Nicht tief, Dame Mevancy«, sagte Seg. »Nicht tief.«
»Natürlich nicht! Wäre der Schnitt tiefer, hätte sie mir die Kehle durchtrennt!«
Obwohl sich alles mit unglaublicher Geschwindigkeit zugetragen hatte, mußten wir doch jeden Augenblick mit Wachen rechnen. Ich
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