43 Gründe, warum es AUS ist
Schulglocke. Über die Sprechanlage die Stimme des Schulleiters, zwei volle Minuten lang Gesumme und Geraschel, bis jemand klar verständlich sagt: »Das Gerät ist an, Dave«, dann ein Klicken. Aus. Billy Keager, der wieder einmal den Tisch umschmeißt, an dem die Französisch- AG Croissants verkauft. Drei Tage lang ein klebriger Fleck Erdbeermarmelade am Boden, bis sich endlich jemand erbarmt. Eine Schachtel mit alten Trophäen, ein glänzendes Messingschild mit den Namen der Sieger dieses Jahres wartet noch immer darauf, angebracht zu werden … Der tiefe Tagtraum und ein Lehrer, der einen plötzlich weckt, eine Antwort will und sich weigert, seine Frage zu wiederholen. Wieder die Glocke, gefolgt von der Durchsage »Bitte das Läuten ignorieren« und Nelsons Geschimpfe »Ignorieren hat er gesagt«, womit er die Schüler meint, die sofort angefangen haben einzupacken. Falsch zusammengetackerte Formulare vom Klassenlehrer, die man erst mal neu ordnen muss, um sie ausfüllen zu können. Vorspielen fürs Schultheater, Riesentransparente mit der Ankündigung für das entscheidende Spiel, dann der Diebstahl der Transparente und die Aufforderung, die Täter zu verpfeifen, wenn man was weiß, der übliche Scheiß. Jenn und Tim, die Schluss gemacht haben, Skyler, der sein Auto losgeworden ist, das Gerücht, Angela sei schwanger, kurz darauf das Gegengerücht, das sei nur die Grippe, bei Grippe kotzt jeder. Tage, an denen die Sonne nicht mal den Versuch macht, hinter den Wolken hervorzukommen, um wenigstens ein einziges Mal in ihrem Sternenleben etwas Gutes zu tun. Nasses Gras, feuchte Säume, die falschen Socken, die ich eigentlich wegwerfen wollte und jetzt doch wieder anhabe, das tückische Blatt, das aus meinen Haaren fällt, wo es schon seit Stunden genistet haben muss, bestimmt zum großen Vergnügen von irgendwem. Serena, die ihre Tage kriegt und wieder einmal nichts dabeihat und deshalb in der zweiten Pause irgendwelche wildfremden Mädchen auf der Toilette anhauen muss. Vorsingen für den Chor, drei Mädchen, die Selbstgestricktes verkaufen, um Hurrikan-Opfern zu helfen. Die Bibliothek, die rein gar nichts zu den Themen dahat, zu denen ich recherchieren muss. Fünfte Stunde, sechste Stunde, siebte Stunde, der ständige Blick auf die Uhr und das Mogeln beim Test, nur so, warum auch nicht. Plötzliche Hungerattacken, Müdigkeit, extreme Hitze, Wut, erschreckende, unbegreifliche Traurigkeit. Vierte Stunde, wie ist das möglich, erst die vierte, aber ist so. Hester Prynne, Agamemnon, John Quincy Adams, Entfernung mal Geschwindigkeit gleich irgendwas, kleinster gemeinsamer Sonstwas, der Radius, die Metapher, der freie Markt. Der rote Pullover von irgendwem, der offene Ordner von jemand anderem, die große Frage, wie es möglich ist, dass jemand einen Schuh verliert, nur einen, und ihn nicht sieht, wenn er wochenlang auf einer Fensterbank steht. Ruf diese Nummer am Schwarzen Brett an, ruf an, wenn du missbraucht worden bist, wenn du dich umbringen willst, wenn du im Sommer mit diesen drei Hohlköpfen auf dem Bild nach Australien willst. Streng dich an! in krakeliger Schrift auf verblasstem Hintergrund, Frisch gestrichen auf einem trockenen Boden, dann das große Spiel am Freitag, wir brauchen eure Unterstützung, kommt alle. Schließfachkombinationen, Getränkeautomaten, knutschende Pärchen, Schulschwänzer, heimliches Rauchen, heimliches Musikhören über Ohrhörer, Rum in der Wasserflasche und Pfefferminz für den Atem, der kranke Junge im Elektrorollstuhl, der mit den dicken Brillengläsern, Gott sei Dank, dass ich das nicht bin, Nackenschutz oder Ausschlag oder der Termin beim Kieferorthopäden oder dieser Vater, der besoffen beim Schulball auftaucht und sie ins Gesicht schlägt, dieses arme Ding, dem dringend mal jemand sagen müsste Du stinkst, mach was dagegen, sonst geht es dir nie, nie, nie besser. Tagein, tagaus, von morgens bis nachmittags geht das so, Noten kriegen, Notizen machen, jemanden fertigmachen, sich umziehen, einen Frosch aufschneiden und vergleichen, ob er genauso aussieht wie der aufgeschnittene im Buch. Aber an den Abenden, an den Abenden warst du dran, Ed, endlich, am Telefon, der beste Teil des Tages.
Als ich dich das erste Mal angerufen habe, das war wie das erste Mal, als überhaupt jemand irgendwen angerufen hat, dieser Alexander Graham Dingsda, der in diesem todlangweiligen Film mit Jessica Curtain verheiratet ist und grübelnd an seinen Versuchen gesessen hat, die monatelang nur Rauschen
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