43 Gründe, warum es AUS ist
produzierten, bis es ihm endlich gelang, diesen magischen Satz über den Draht zu schicken. Weißt du noch, was er gesagt hat, Ed?
»Hallo?« O verdammt, das war deine Schwester. Dabei war das doch angeblich deine beste Nummer!
»Äh – hi.«
»Hi.«
»Könnte ich bitte Ed sprechen?«
»Darf ich fragen, wer da ist?«
Musste das jetzt sein, dachte ich und zupfte an meiner Tagesdecke. »Eine Freundin«, sagte ich schüchtern. Wie blöd!
»Eine Freundin?«
Ich schloss die Augen. »Ja.«
Es folgte ein Moment surrender Stille, während ich hörte, wie Joan, von der ich noch nicht wusste, dass sie Joan war, tief ausatmete und mit sich rang, ob sie mich weiter ausfragen sollte, während ich dachte, ich könnte jetzt auflegen wie ein Dieb in der Nacht in Wie ein Dieb in der Nacht.
»Kleinen Moment«, sagte sie, und dann, nach ein paar Sekunden Klappern und Murmeln, deine weit entfernte Stimme »Was?«, gefolgt von Joans spöttischer: »Ed, hast du irgendwelche Freundinnen? Hier ist ein Mädchen in der Leitung, sie sagt –«
»Hör schon auf«, sagtest du, jetzt sehr nah, und dann: »Hallo?«
»Hey.«
»Hey. Ähm, wer –?«
»Tut mir leid, ich bin’s, Min.«
»Min, hey. Ich hab deine Stimme nicht erkannt.«
»Klar.«
»Warte mal, ich geh mal gerade in ein anderes Zimmer. Joanie geht nämlich einfach nicht raus.«
»Okay.«
Die Stimme deiner Schwester, murmel, murmel, dann läuft Wasser. Darauf deine Stimme: »Das ist mein Geschirr.« Murmel, murmel. »Sie ist eine Freundin von mir.« Murmel, murmel. »Ich weiß nicht.« Murmel. »Nichts.«
Ich wartete weiter. Mr. Watson, war das Erste, was der Erfinder auf wunderbare Weise von einem Raum ins Nebenzimmer sprach. Mr. Watson, kommen Sie her, ich brauche Sie.
»Hey, tut mir leid.«
»Schon gut.«
»Meine Schwester.«
»Klar.«
»Sie ist – na ja, du wirst sie ja kennenlernen.«
»Okay.«
»Also –«
»Ähm – wie war’s beim Training?«
»Gut. Glenn hat sich wie ein Idiot benommen, aber das ist normal.«
»Oh.«
»Wie war’s bei dir beim – was ist das noch mal, was du nach der Schule immer machst?«
»Kaffeetrinken.«
»Oh.«
»Mit Al. Einfach abhängen. Lauren war auch da.«
»Okay, und wie war’s?«
Ed, es war wundervoll. So mit dir herumzustottern oder nicht einmal zu stottern, sondern gar nichts zu sagen, das war so ein Glück, so friedlich, viel besser, als sich mit irgendwem den Mund fusselig zu quatschen. Nach ein paar Minuten hatte das Gestotter ein Ende, die Aufregung hat sich gelegt, wir wurden gelassener, und die Unterhaltung nahm Fahrt auf und ging bis in die Nacht. Manchmal haben wir einfach nur gelacht, wenn wir unsere Lieblingssachen verglichen haben – ich mag den und den Geschmack, die Farbe ist cool, das Album ist Schrott, die Sendung hab ich nie gesehen, der Typ ist doch ein Idiot, ich finde die super, nicht dein Ernst, ausgeschlossen, meins ist viel besser, gefahrlos und zum Brüllen komisch, wie Kitzeln. Manchmal haben wir uns abwechselnd Geschichten erzählt, uns gegenseitig ermutigt, nein, überhaupt nicht langweilig, okay, ich hab’s gehört, ich hör dich, das musst du nicht sagen, sag’s noch einmal, das hab ich noch keinem Menschen erzählt, ich erzähl’s auch nicht weiter. Du hast mir von der Sache mit deinem Großvater erzählt, damals im Flur, ich hab dir das mit meiner Mutter und dem roten Licht erzählt. Deine Story von deiner Schwester und der verschlossenen Tür, meine, wie ich mal mit einem alten Freund in die völlig verkehrte Richtung gefahren bin. Die Sache damals nach der Party, die damals vor dem Ball. Und damals im Ferienlager, im Urlaub, im Hof, in unserer Straße, in dem Zimmer, das ich nie mehr wiedersehen werde, damals mit Dad, damals im Bus, das andere Mal mit Dad, die seltsame Sache an diesem Ort, von dem ich dir schon mal erzählt habe, im Zusammenhang mit der anderen Geschichte, damals, und die verschiedenen Geschichten verschmelzen ineinander wie Schneeflocken in einem selbst gemachten Schneesturm in einem Lieblingswinter. Ed, diese langen Abende am Telefon, alles, was wir sagten, bis aus spät später wurde und noch später und richtig spät und am Ende Schlafengehen mit müden, heißen, roten Ohren, so fest fest fest hatte ich den Hörer ans Ohr gepresst, um nur ja kein Wort zu verpassen, egal wovon, denn wen kümmerte es schon, wie müde ich an diesen öden Sklaventreiberschultagen ohne uns war. Jeden Tag hätte ich mir gern ruiniert, wirklich jeden, für diese langen Abende
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