43 Gründe, warum es AUS ist
allerdings hart«, sagte Al. »Auf der Tribüne serviert dir keiner nach der Schule deinen Kaffee.«
»Federico’s geb ich nicht auf«, sagte ich.
»Natürlich nicht.«
»Wir treffen uns da, heute.«
»Vergiss es.«
»Du magst ihn nicht.«
»Ich sag nichts dazu, hab ich gesagt. Egal, wir können später drüber reden.«
»Aber, Al –«
»Min, hinter dir.«
»Was?«
Und da warst du.
»Oh!« Das kam viel zu laut raus, das weiß ich noch.
»Hey«, sagtest du. Al hast du kurz zugenickt, was ihm mit seinem Halloween-Stapel auf dem Arm natürlich peinlich war.
»Hey«, sagte ich.
»Hier bist du doch sonst nie«, sagtest du.
»Ich bin im Unterausschuss«, erklärte ich dir, aber das schien dich nicht weiter zu interessieren.
»Okay. Wir sehen uns dann?«
»Wann?«
»Nach der Schule. Kommst du zum Training, mir zuschauen?«
Ich brauchte eine Sekunde, dann habe ich gelacht, Ed, und das Kunststück versucht, euch beide gleichzeitig anzusehen – Al mit einem Ist-das-die-Möglichkeit-Blick und dich mit einem Wir-reden-später-Blick. »Nein«, sagte ich dann, »ich schaue dir garantiert nicht beim Training zu.«
»Na gut, dann ruf mich später an«, sagtest du, und dein Blick überflog die Wand im Treppenhaus. »Ich geb dir eine Nummer, unter der du mich am besten erreichst«, und ohne eine Sekunde nachzudenken, hast du diese perfide Tat begangen und einen Teil von dem Plakat abgerissen, das wir gerade erst aufgehängt hatten. Du hast nicht drüber nachgedacht, Ed, natürlich nicht, für Ed Slaterton war die ganze Welt und schon gar alles, was jemand an eine Wand geklebt hatte, nichts weiter als eine Fläche, auf die man schreiben kann, und bevor Al auch nur Piep sagen konnte, hast du dir den Marker gegriffen, den er sich hinters Ohr geklemmt hatte, diese Nummer aufgeschrieben und mir gegeben, diese Nummer, die ich dir jetzt zurückgebe, diese Nummer, die ich sowieso schon hatte, diese Nummer, die immer noch als Poster in meinem Kopf hängt, das ich nie abreißen werde. Dann hast du den Stift zurückgegeben, mir durchs Haar gewuschelt und bist die Treppe hinuntergestürmt, zurück blieben ich – mit dem einen Stück Plakat in der Hand, nämlich diesem hier – und der traurige Rest vom Plakat, der verwundet an der Wand hing. Ich sah dir nach, Al sah dir nach, ich sah, wie Al dir nachsah, und begriff, ich müsste jetzt sagen, das sei ja echt bescheuert von dir, so was zu machen, aber ich brachte die Worte einfach nicht über die Lippen. Denn in dem Moment, Ed, an dem Tag, an dem ich ein letztes Mal nach der Schule mit Al Kaffee trinken war, bevor ich, verdammt noch mal, ja, bevor ich anfing, nachmittags auf der Tribüne zu sitzen und dir beim Training zuzusehen, in dem Moment war die Nummer in meiner Hand mein Freifahrtschein, um herauszukommen aus den fest verklebten Morgen meines Lebens mit immer denselben Freunden und einem Plakat, das etwas verkündete, wovon sowieso jeder wusste, dass es stattfinden würde, weil es jedes Jahr passierte. Ruf mich später an, hattest du gesagt, also konnte ich dich später anrufen, spät am Abend, und das ist die Zeit, zu der ich dich, Ed, am meisten vermisse, das Telefonieren mit dir, du Scheißkerl, mein Schöner.
Denn tagsüber war ja immer Schule und alles, was dazugehört: die Glocke, die zu laut oder zu scheppernd aus den kaputten, nie reparierten Lautsprechern schrillt, die knarrenden, abgenutzten Böden voller Fußabdrücke, die zuknallenden Schließfachtüren. Mein Name oben rechts auf jeder Klassenarbeit, weil Mr. Nelson mir sonst automatisch fünf Punkte abzieht, oder oben links, weil Mr. Peters sonst drei abzieht. Mein Kugelschreiber, der auf halber Strecke den Geist aufgibt und entweder unsichtbare Tintennarben aufs Papier kratzt oder Selbstmord begeht und dabei auf meine Hand tropft, sodass ich mich dann jedes Mal hektisch frage, ob ich mir womöglich in den letzten Minuten ins Gesicht gefasst habe und inzwischen auf Kinn und Wangen wie ein Kuli-Minenarbeiter aussehe. Sich aus irgendeinem Grund prügelnde Jungs in der Nähe der Mülltonnen, keine Freunde von mir, einer von ihnen, mein früherer Schließfachpartner, hockt weinend auf der Bank, auf der ich in meinem ersten Highschool-Jahr oft mit einer Clique saß, mit der ich heute kaum noch etwas zu tun habe. Tests, angekündigte und unangekündigte, gelegentlich auch schon mal ein Namenstausch, wenn Vertretungslehrer die Anwesenheit kontrollieren, irgendwie muss man sich ja die Zeit vertreiben. Wieder die
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