43 Gründe, warum es AUS ist
Spielzeug mit der Hand so fest umklammert hielt, dieses merkwürdige, aufregende Teil, das du mir geschenkt hast und das anzuschauen ich nicht noch einmal ertragen könnte.
Ed, hast du je diesen Film gesehen – nein, natürlich nicht –, diesen portugiesischen Vampirfilm Wie Nacht und Tag, der volle zwei Wochen im Carnelian lief? Natürlich hast du ihn nicht gesehen. Ich hab ihn zweimal angeschaut. Ein Mädchen – die Namen der Schauspieler weiß ich nicht mehr, es waren alles Portugiesen – hat einen öden Job als Bürogehilfin in irgend so einem Regierungsdings. Nach der Arbeit läuft sie träumend über einen Friedhof nach Hause. Eines Tages muss sie sehr lange arbeiten, es ist schon Nacht. Die Nachtszenen sind in Schwarz-Weiß gedreht. Da begegnet sie einem Vampir, einem Jungen, schlank und bleich und mit zornigem, glasigem Blick. Eine Zeit lang trifft sie sich jede Nacht mit ihm, sodass sie tagsüber bleich und müde und mit kleinen Augen dasitzt und fast gefeuert wird. Ihre blinde Mutter spürt, dass etwas nicht stimmt, innere Unruhe, sagt sie laut Untertitel. Musik setzt ein, und dieses Mädchen träumt denselben Traum wie er, der Junge, der träumend in seinem Grab liegt, einen verschwommenen Traum voll katholischer Symbole und herumwirbelnder Totenköpfe, den ich nicht so richtig verstanden habe. Dann auf einmal ist sie selbst ein Vampir und er ein junger Mann, der mit Gedächtnisschwund im Krankenhaus liegt, bis er schließlich entlassen wird und Arbeit in einem Büro findet, womit die ganze Geschichte von vorn beginnt, bis es am Ende, wie von der blinden Mutter geträumt, während einer Sonnenfinsternis zu einer Tragödie kommt und alles in Schutt und Asche endet. Als ich Al mitschleppte, um mir den Film ein zweites Mal anzusehen, und am Ende zu ihm sagte, es sei ausgeschlossen, dass irgendwer Wie Nacht und Tag ansehen und keine Meinung dazu haben könne, da sagte er bloß, seiner Meinung nach sei Vögeln im Dämmerlicht ein passenderer Name für den Film gewesen. Er hatte schon recht, die Liebesszenen waren in eigenartigem Licht gedreht worden, in einem weder diesseitigen noch jenseitigen Raum, in dem die Charaktere einander zufällig in die Arme laufen und sich anpassen an diesen diffusen Traum von einem Leben. Genauso war es, dasselbe dunstige Licht, als wir morgens um sieben vor dem Café Crema verabredet waren , meinem eigentlich nur drittliebsten Café, das aber in meiner Gegend das beste war. Die portugiesischen Liebenden trennen sich benommen und voller Bisswunden und ohne zu wissen, wie es weitergehen soll, und auch ich wusste nicht, was aus dieser Begegnung zu dieser verrückten Morgenstunde werden würde. Die Straßen waren friedhofsstill, wir hatten in Steves Auto rumgemacht, vielleicht hatte ich ja alles versiebt, hatte, ohne es zu merken, beim Lagerfeuer meine Einsätze verpasst, so wie du nicht mitbekommen hast, dass deine Musikauswahl an der Jukebox für meine Freunde ein Schlag ins Gesicht war. Aber vielleicht war ich ja auch nur müde. Ich hoffte, dass alles gut werde, dass alles gut war, aber vielleicht hatten sich die Dinge ja geändert, seit du mich nachts um eins abgesetzt hattest. Einfach nur müde, dachte ich, während ich besorgt unter der Markise vor dem Café stand, im strömenden Regen, der meine Stimmung auch nicht gerade besser machte, und dann zum Auto deiner Schwester raste, als du vorgefahren kamst, den Schirm unter den Arm geklemmt, weil ich ihn nicht auch noch halten konnte, zusätzlich zu den zwei Kaffeebechern.
»Hey«, sagtest du, »ich meine, guten Morgen.«
»Hey«, antwortete ich und deutete mit einer Kopfbewegung einen Kuss an. Wir tun jetzt mal so, als ob.
»Ich fass es nicht.«
»Was?«
»Was? Wie früh es ist. Was hast du denn gedacht?«
»Tja, so ist das mit Alles Tipptopp . Es ist ein magischer Ort, aber die Öffnungszeiten sind einfach gruselig. Nur samstags und nur von halb acht bis neun.«
»Das heißt, du warst schon mal da?«
»Einmal.«
»Mit Al.«
»Ja, wieso?«
»Nur so. Es ist nur …«
»Was?«
»Du warst gestern ziemlich sauer wegen Jillian.«
»Die mich stockbesoffen angeschrien hat, ja.«
»Aber du redest die ganze Zeit von Al, und ich soll nicht eifersüchtig sein. Das wollte ich nur mal feststellen.«
»Eifersüchtig? Ich hab nie was mit Al gehabt. Er ist ein Freund, wir sind einfach nur Freunde. Das ist ja wohl was anderes.«
»Okay, vielleicht nicht eifersüchtig, aber ich darf es nicht mal seltsam finden,
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