43 Gründe, warum es AUS ist
so miesepetrig.«
»Ich mag es nun mal nicht, wenn du einfach unterstellst, dass ich nichts vorhabe. Es ist ja nicht so, als würde ich hier nur rumhängen und Trübsal blasen, während du mit deinem Freund rummachst.«
Al kann manchmal so sein. So pikiert (noch so ein Wort von unseren Wortschatzkärtchen). Aber ich kann damit umgehen. »Al, ich bin diejenige, die nichts vorhat. Lass uns einen Film zusammen gucken, oder lass mich einfach mitgehen, egal, wo du heute noch hinwillst.«
»Was hat Ed gemacht?«
»Was?«
»Was hat er dir getan?«
Einen kurzen Moment lang wurde mir warm am ganzen Körper, als ich an die Trauerweide dachte. Ich habe Al noch nie gestanden, dass ich oft nur in ein Handtuch gewickelt bin, wenn ich mit ihm telefoniere. »Nichts, er hat nur irgend so eine Familiensache.«
»Du hast mir doch gesagt, du wärst das ganze Wochenende über beschäftigt.«
»Al, bitte. Ganz egal, was du vorhast, nimm mich mit. Monster-Truck-Show, Inventur bei deinem Dad, Knutschen mit Christine Edelman – ganz egal.«
Jetzt musste er doch lachen. Du hast Christine Edelman vermutlich noch nie bemerkt, sie ist mit uns im Literaturkurs und sieht aus wie eine Profiringerin.
»Ich hab Zeit«, gab Al zu. »Ich hab gar nichts vor. Ich bin mal wieder der Loser.«
»Du wolltest mich bloß zappeln lassen.«
»Wozu ist Freundschaft sonst gut?«, sagte er (unsere Version von Wofür sind Freunde da? ).
»Prima, ich bring den Film mit.«
»Und ich schmuggel Christine zur Hintertür raus.«
»Pfui!«
»Was glaubst du denn, wieso ich hier in Boxershorts sitze?«
»Pfui!«
Von alldem hab ich dir nie erzählt, Ed. Du hast mich auch nie gefragt, was ich an dem Abend gemacht habe oder wie ich an den Pensieri gekommen bin. Ich habe dir auch nie erzählt, dass Al nicht bloß Popcorn gemacht hatte, sondern auch Lammkoteletts mit Polenta und Spargel vorbereitet hatte, für den Fall, dass ich noch nicht gegessen hatte (hatte ich auch nicht), und dass er einen Fleck hatte, einen ganz kleinen weißen Cremefleck dicht beim Ohr, so als hätte er sich eben erst rasiert. Ich hatte den Film dabei und gammelige Klamotten an.
»Hey«, sagte ich, als ich zur Tür reinkam. »Was hast du da aufgelegt?«
»Mark Clime«, sagte er. » Live at the Blue Room. Gehört meiner Mom.«
»Gefällt mir«, sagte ich. »Erinnert stark an – hab ich dir schon von dem Typen erzählt, den ich neulich gehört hab? Hawk Davies? Der ist echt klasse.«
Al sah mich mit einem seltsamen Lächeln an. »Ich weiß, Min, du hast es mir erzählt.«
»Ah ja, stimmt. Eds Schwester –«
»Joan.«
»Genau, Joan. Sie will mir die CD demnächst ausleihen. Dann brenne ich sie dir.«
»Okay. Und – wie war das Spiel?«
»Was für ein Spiel?«
»Basketball. Dein Freund spielt doch.«
»Ach so, ja, klar. Doch, ganz okay.«
»Wirklich?« Al war dabei, uns diesen Drink zu mixen, den wir beide so mögen. Dazu mixt er diesen italienischen Zitronenlikör, den in der runden Glasflasche, die wie eine Zitrone aussieht, in einem hohen Glas mit Minze, dazu kommt dann noch Eis und aus Italien importiertes Mineralwasser, das seine Eltern im Haus haben wie andere Leute Milch.
»Also – nein.« Dieser Drink schmeckt wirklich saulecker. Wir suchen immer noch nach einem Namen dafür und können uns nicht entscheiden. »Es war laut und langweilig. Dir darf ich das doch sagen, oder?«
»Du darfst mir alles sagen.«
»Also es war langweilig, aber Ed war nett, und sogar beim Lagerfeuer, und hinterher war’s nett.«
»Hinterher?«
»Hm-m«, machte ich und trank einen langen Schluck, bei dem mir die Eiswürfel an die Nase schlugen. Plötzlich tauchte eine Frage in meinem Kopf auf. Für die aber kein Platz war, eine Frage, die mit dir zu tun hatte, Ed. Du kannst mir alles sagen, hatte Al gerade gesagt, und jetzt wartete er darauf, dass ich antwortete, während er völlig grundlos den beleuchteten Ofen aufmachte, um nach dem Essen zu sehen, dabei warteten Lamm und Spargel schon fix und fertig auf ihren Einsatz. Aber ich konnte die Frage nicht stellen. Ich war nicht wie diese japanischen Regisseure, die sich viel, viel Zeit nehmen für jede Einstellung, die eine Blume zeigten, einen Tropfen Wasser auf einer glatten schwarzen Tischplatte, ein vom Mond beleuchtetes Spinnennetz, das nichts mit dem Plot des Films zu tun hat – das Bild ist aus dem einzigen Grund da, dass es dem Regisseur gefiel, und zwar genau deswegen gefiel, weil es nicht hineinpasste. Meine Frage gehörte nicht
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