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43 Gründe, warum es AUS ist

Titel: 43 Gründe, warum es AUS ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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deine Lippen kommen zu lassen. Und dann hast du mir von der Toilette diesen Anhänger mitgebracht und gesagt, guck mal, der Anhänger hier, wie cool, da müssen wir unbedingt hin, weißt du, wer da spielt, Carl Haig, der war mal Schlagzeuger bei Hawk Davies, diesem Typen, den ihr so gut findet, Joanie und du. Wie eine festgenagelte Fügung des Schicksals hing dieses Ding an der Pinnwand neben den Toiletten, wo du dir die Haare glatt gestrichen und deine Pyjamajacke zugeknöpft hast, sodass du wieder einigermaßen ordentlich und nüchtern aussahst, und ich sollte mit dir dahin, bitte, weil du mich liebtest.
     
     
     
    »Vielleicht.«
    »O Min, bitte, sag nicht vielleicht.«
    Der Kaffee lief durch mich hindurch, und ich sagte: »Okay, ja.« Es war mir peinlich, als wir in die Linie Sechs stiegen, dass ich immer noch behauptete, sauer zu sein wegen etwas, was schon zwei Busse vorher passiert war. Uns gegenüber saßen kleine Kinder in Halloween-Kostümen, zusammen mit ihrem Dad, der hektisch auf seinem Telefon herumtippte. Wildfremde Menschen, dachte ich. Wenn ich immer noch sauer wäre, dann wäre ich jetzt allein, Samstagabend, an Halloween, allein im Bus. »Ja – okay? Aber sauer bin ich immer noch.«
    »Darfst du ja auch sein«, sagtest du. Doch dein Lächeln dabei gefiel mir nicht.
    »Immer noch.«
    »Das hast du schon gesagt, Min. Und mir tut’s immer noch leid, und das war’s.«
    »Ich weiß.«
    »Nein, ich meine, unsere Haltestelle. Wir müssen raus.«
    Der stille Friedhof hieß uns kühl und dunkel willkommen, an diesem bescheuerten schlimmen Abend, der Ball stand ja noch an, das wussten wir. Das schattenhafte Gras knackte unter unseren schweren Schritten. »Bist du sicher, dass du noch hinwillst?«
    »Ja«, sagte ich. »Meine Freunde – sieh mal, ich bin schließlich auch zu deiner Fete gegangen.«
    »Okay«.
    »Und deshalb musst du dich auch durch meine durchquälen . Egal was, hast du gesagt.«
    »Ist ja gut.«
    »Und wenn ich quälen sage, dann meine ich das auch so. Denn ich bin immer noch …«
    »Ich weiß, Min.«
    Ich gab dir meine Hand. Ein kleines bisschen weniger schrecklich fühlte ich mich, allein davon, dass wir da herumliefen, in dieser Stille. Seitlich raschelte etwas, aber ich fühlte mich sicher, zwischen den matten Lichtern auf den Gräbern, den Steinkreuzen und dem toten Laub. Fast schon okay.
    »Weißt du was«, sagtest du, und dein Atem fühlte sich feucht an, »ich hab noch mal über diesen Ort für die Party nachgedacht.«
    »Was meinst du denn?«
    »Lottie Carson.«
    Es war das erste Mal, dass du dich an ihren Namen erinnert hast. »Der ist doch gut.«
    »Mir ist aufgegangen, dass es vielleicht kein guter Ort ist für jemanden, der neunundachtzig wird. Vermutlich wäre sie gekränkt.«
    »Auch wieder wahr«, sagte ich. Scheinwerferlicht von der Straße drang zwischen den Bäumen hindurch, die Grabsteine standen still wie Rehe in dem grellen Licht. Ich konnte die Lebensdaten lesen, mal war die Lebensspanne lang, mal nicht lang genug. »Vielleicht wird sie hier beerdigt«, sagte ich. »Dann müssen wir sie besuchen, ihr Blumen bringen, aufpassen, dass keine Kondome auf ihrem Grab liegen.«
    Du hast fester nach meiner Hand gefasst, und wir sind weitergegangen. Bestimmt hast du da an deine Mom gedacht, Ed, daran, wo sie einmal enden wird und wann. Damals musst du irgendwas von dem, was du gesagt hast, ernst gemeint haben. Das hoffe ich jedenfalls.
    »Vielleicht werden wir mal hier beerdigt«, sagtest du, »und unsere Kinder kommen uns besuchen und bringen uns Blumen.«
    »Zusammen«, flüsterte ich, ich konnte gar nicht anders. »Zusammen, genau hier.«
    Das war’s, dieser wunderschöne Moment dort, der mich zu dir zurückgeführt hat. Wir blieben noch kurz da stehen, dann gingen wir weiter. Im dichten Gras hörten wir auf, uns an den Händen zu halten, aber wir waren weiter zusammen, auf dem Weg in den Rest dieser Nacht.
    Die Scandinavian Hall sah einfach beschissen aus, so beschissen wie immer, mit ein paar halbherzig flatternden Girlanden. Der Wasserspeier an der Tür, der säuselnd immer den gleichen grün angestrahlten Dampf ausstieß, erinnerte an einen besoffenen Onkel. Wir gingen zusammen hinein, doch niemand bemerkte uns, die erste Prügelei schien schon im Gange, vielleicht war aber auch nur ein Tisch umgestoßen worden, und du bist mit einem verlegenen Lächeln davongestürmt in Richtung Klos. Irgendjemandes ruinierter Mantel lag auf einem Tisch. Mit zusammengekniffenen

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