43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas
erlauben, anzunehmen, daß mein Leben mir tausend Franken wert ist, das Glück der Meinen gar nicht mitgerechnet.“
„Gut. Die Summe beträgt also fünftausend Franken.“
„Ja, und zwar sind dreitausend vorher zu bezahlen, weil ich sie brauche.“
Der Graf lachte zynisch.
„Das ist allerdings ein sehr triftiger Grund. Aber wenn ich sie nun verweigere?“
„So reisen Sie allein nach Mainz. Was ich sage, das gilt. Sie werden mich in diese Beziehung noch kennenlernen.“
„Gut, so will ich mich einverstanden erklären. Aber ich hoffe auch, daß Sie Ihre Pflicht erfüllen!“
Der Graf bemerkte das zweideutige Lächeln nicht, mit welchem Gerard antwortete:
„Keine Sorge, Monsieur, ich werde meiner Pflicht sicherlich richtig nachkommen.“
„So ist dies abgemacht. Wir werden abreisen, sobald ich die Brieftasche in den Händen habe. Wann gehen Sie wieder hin zu dem Mann?“
„Vielleicht am Abend; eher würde es auffällig sein, auch fürchte ich, daß er dann eine größere Entschädigung verlangen möchte, da er meinen müßte, das Portefeuille sei von höchstem Wert.“
„Gut. So können Sie mir jetzt helfen. Ich habe Ursache, dieses Hotel zu verlassen. Der Wirt soll denken, daß ich nach der Bahn von Orleans fahre, ich will aber in der Nähe des Nordbahnhofs wohnen. Wissen Sie dort ein gutes Hotel?“
„Das Hotel de l'Empereur auf der Rue de St. Quentin, in der Nähe des Bahnhofs.“
„So senden Sie mir den Kellner mit der Rechnung herauf, und holen Sie mir eine Droschke.“
Der Schmied erhob sich von seinem Sitz und ging. Draußen blieb er einen Augenblick stehen und reckte die riesigen Glieder drohend empor.
„Schuft!“ murmelte er drohend. „Warte, ich werde dir das Handwerk legen. Zunächst aber muß ich wissen, wem der Mordanschlag gilt.“
Er stieg die Treppe hinab und traf unten auf den Hausknecht. „Ah, Freund, eine Frage“, sagte er, griff dabei in die Tasche und reichte ihm ein Frankstück hin.
„Danke! Was?“
„Hat kürzlich ein Deutscher hier gewohnt, und zwar Herr Doktor Sternau?“
„Ja, es war ein Deutscher aus Mainz.“
„Hatte er Damen mit?“
„Eine Spanierin. Außerdem waren ein Diener und eine Dienerin bei ihm.“
„Danke! Schicken Sie den Kellner hinauf zum Marchese d'Acrozza. Er will die Rechnung haben.“
Der Schmied ging, um eine Droschke zu holen, und zwar sehr langsam, denn die Auskunft, die er erhalten hatte, gab ihm viel zu denken.
„Ein Doktor, ein Arzt ist es“, brummte er leise vor sich hin. „Und die Dame ist eine Spanierin. Was hat mir denn Annette gesagt, als ich sie gestern bei dem Professor besuchte? Ein deutscher Arzt war es, der sie gerettet hat, und eine kranke spanische Dame ist bei ihm gewesen. Das hat sie von Marion, dem Stubenmädchen, erfahren. Himmel, wenn er es wäre, dem ich an das Leben soll!“
Gerard machte eine Geste in der Luft, als ob er jemand erwürgen wolle, und brummte weiter:
„Das muß ich zu erfahren suchen. Aber wenn diese Dame eine Spanierin ist, so ist dieser unechte Marchese d'Acrozza jedenfalls ein Spanier, und sein Taschenbuch ist in spanischer Sprache geschrieben. Sein richtiger Name steht darin. Er heißt Alfonzo de Rodriganda y Sevilla, und dies ist nicht Italienisch, sondern Spanisch; wenigstens liegt Sevilla in Spanien. Na warte, Bursche! Eine Droschke hole ich dir, aber zum Teufel sollst du fahren, wenn der Sternau, dem ich an das Leben soll, derselbe Arzt ist, der meine Schwester Annette aus den Fluten der Seine gezogen hat.“
Gerard erreichte den Halteplatz der Fiaker und nahm einen mit zum Hotel. Dort wurden die Effekten des Marchese aufgeladen. Dieser stieg ein, der Schmied hinten auf, und nun ging es scheinbar dem Bahnhof von Orleans und Lyon zu. Bei der Brücke Notre-Dame angekommen, gebot der Marchese, in die lange Straße Martin einzulenken und nach dem Nordbahnhof zu fahren.
So gelangten sie an das Hotel de l'Empereur auf der Straße St. Quentin, wo sie abstiegen und Alfonzo sich einige Zimmer anweisen ließ.
„Jetzt weißt du genau, wo du mich zu finden hast?“
„Gewiß, Monsieur.“
„Ich werde nicht ausgehen. Sobald du das Portefeuille hast, kommst du.“
„Ich gehe heute abend hin.“
„Vergiß nicht, daß ich mitten in der Nacht für dich zu sprechen bin!“
Der Schmied ging. Als er außer Sicht des Hotels war, nahm er eine Droschke und ließ sich nach der Rue de Lavande, Nummer 4, fahren, wo der Professor wohnte. Der Zutritt zu seiner Schwester stand ihm offen, und
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