43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas
die schönste Squaw des Landes. Wahconta gebe dir seinen Segen. Das wünscht dein Bruder!“
„Ja, es ist ein großes Glück“, antwortete der Deutsche. „Ich war ein armer Jäger und werde nun ein reicher Haziendero sein.“
„Du warst nicht arm; du warst reich!“
„Ja“, lächelte Helmers. „Ich schlief im Wald und deckte mich mit Sternen zu.“
„Nein“, sagte der Indianer ernst, „du warst reich, denn du hattest die Karte zur Höhle des Königsschatzes.“
Der Deutsche trat erstaunt einen Schritt zurück.
„Woher weißt du das?“
„Ich weiß es! Darf ich die Karte sehen?“
„Ja.“
„Sogleich?“
„Komm!“
Er führte ihn in sein Zimmer und legte ihm das abgegriffene Papier vor. Tecalto warf einen Blick in die Ecke des Planes und sagte:
„Ja, du hast sie! Das ist das Zeichen von Toxertes, welcher der Vater meines Vaters war. Er mußte das Land verlassen und kehrte nie wieder zurück. Du bist nicht arm. Willst du die Höhle des Königsschatzes sehen?“
„Kannst du sie mir zeigen?“
„Ja.“
„Wem gehört der Schatz?“
„Mir und Karja, meiner Schwester. Wir sind die einzigen Abkömmlinge der Könige der Mixtekas. Soll ich dich führen?“
„Ich gehe mit!“
„So sei bereit heute zwei Stunden nach Mitternacht. Dieser Weg darf nur im Dunkel der Nacht angetreten werden.“
„Wer darf davon wissen?“
„Niemand. Aber dem Weib deines Herzens magst du es anvertrauen.“
„Warum ihr?“
„Weil sie weiß, daß du den Schatz suchst.“
„Ah, woher weißt du das?“
„Ich habe jedes Wort gehört, welches ihr gestern im Garten geredet habt. Du hattest die Karte und wolltest dennoch nichts nehmen. Du wolltest erst forschen, ob der Erbe vorhanden sei. Du bist ein ehrlicher Mann, wie es unter den Bleichgesichtern wenige gibt. Darum sollst du den Schatz der Könige sehen.“
Und eine Stunde später, zur Zeit des Mittagmahles, als die anderen beim Nachtisch saßen, schlüpfte die Indianerin in das Zimmer des Grafen. Er empfing sie mit vollster Zärtlichkeit und zog sie auf das Sofa.
„Hast du das Papier geschrieben?“ fragte sie.
„Kannst du lesen?“
„Ja“, antwortete sie stolz.
„Hier ist es.“
Er gab ihr einen Bogen Papier, auf welchem folgende Zeilen zu lesen waren:
„Ich erkläre hiermit, daß ich nach Empfang des Schatzes der Könige der Mixtekas mich als Verlobten von Karja, dem Nachkömmling dieser Könige, betrachten und sie als meine Gemahlin heimführen werde.
Alfonzo Graf de Rodriganda y Sevilla.“
„Ist es so recht?“ fragte er.
„Die Worte sind gut, aber das Siegel fehlt!“
„Das ist ja nicht notwendig!“
„Du hast es mir versprochen.“
„Gut, so magst du es haben“, sagte er, seinen Unwillen verbergend. Er brannte den Wachsstock an und drückte sein Siegel über die Worte. „Hier, meine Karja! Und nun halte auch du dein Wort!“
„Ich halte es.“
„Nun?“
„Kennst du den Berg El Reparo?“
„Ja. Er liegt vier Stunden von hier gegen Westen.“
„Er sieht fast aus wie ein langgezogener hoher Damm.“
„Das stimmt.“
„Von ihm fließen drei Bäche in das Tal. Der mittelste ist der richtige. Sein Anfang bildet keinen offenen Quell, sondern er tritt gleich voll und breit aus der Erde heraus. Wenn du in das Wasser trittst und da, wo er aus dem Berg kommt, dich bückst und hineinkriechst, so hast du die Höhle vor dir.“
„Ah, das wäre doch recht einfach!“
„Sehr einfach.“
„Braucht man Licht?“
„Du wirst Fackeln rechts vom Eingang finden.“
„Das ist alles, was du mir zu sagen hast?“
„Alles.“
„Und der Schatz befindet sich wirklich noch vollständig dort?“
„Vollständig.“
„So habe Dank, mein gutes Kind! Du bist jetzt meine Verlobte und wirst nun bald mein Weibchen sein. Jetzt aber geh. Man könnte uns hier überraschen!“
„Sehe ich dich heute abend?“
„Ja.“
„Wo?“
„Wieder am Bach unter den Oliven.“
Sie ging. Sie hatte ein Opfer gebracht, aber dieses Opfer lag ihr mit Zentnerschwere auf der Seele. Sie mußte teilnehmen an der heutigen Festlichkeit, doch war es ihr bei der allgemeinen Freude, als ob sie bittere Tränen weinen möchte.
Der Graf blieb in seinen Gemächern und ließ sich gar nicht sehen. Am Nachmittag kam eine Estafette an ihn. Er erhielt einen Brief aus der Hauptstadt Mexiko, welcher ihm nur allein eingehändigt werden durfte. Als er ihn geöffnet und gelesen hatte, blickte er erst starr vor sich hin, dann aber sprang er auf und
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