43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas
trug eine unten aufgeschlitzte, goldverbrämte mexikanische Hose, leichte Halbstiefel mit ungeheuren Rädersporen, ein schneeweißes Hemd, darüber eine kurze, vorn offene Jacke, die mit Gold- und Silberstücken besetzt war, auf dem Kopf einen breitkrempigen Sombrero und um die Taille einen Schal von feinster chinesischer Seidengaze. Das Haar war ihm geschnitten, der Bart ausrasiert und zugestutzt, und so erkannte er sich in dieser kleidsamen, reichen Tracht kaum selbst wieder.
Als er zum Frühstück in den Speisesaal trat, fand er Emma bereits anwesend. Sie errötete vor Entzücken, als sie die Veränderung bemerkte, die mit ihm vorgegangen war. So männlich und so schön hatte sie sich ihn denn doch nicht ganz gedacht. Auch Karja, die Indianerin, schien erst jetzt zu sehen, welch ein Mann der Deutsche war. Vielleicht stellte sie Vergleiche zwischen ihm und dem Grafen an. Die beiden Indianerhäuptlinge taten natürlich, als bemerkten sie diese Veränderung gar nicht. Einer aber ärgerte sich fürchterlich darüber.
Das war der Graf. Die Hoffnung, bald in den Besitz des Schatzes zu gelangen, mochte ihn nachgiebig stimmen; er erschien zum Frühstück, wäre aber fast wieder umgekehrt, als er Helmers erblickte. Kein Mensch sprach ein Wort mit ihm, und er mußte sehen, mit welcher mehr als schwesterlichen Herzlichkeit Emma mit dem Verhaßten verkehrte. Er knirschte mit den Zähnen und nahm sich vor, diesen Fremden unschädlich zu machen.
Nach dem Frühstück bat Emma den Deutschen, noch zu bleiben. Er ahnte nicht im geringsten, was sie beabsichtigte, aber als die drei sich nun allein befanden, legte das schöne Mädchen den Arm um den Haziendero und sagte:
„Vater, wir haben gestern nachgesonnen, wie wir Señor Helmers danken wollen.“
„Ja“, nickte er, „aber wir haben leider nichts gefunden.“
„Oh“, sagte sie, „ich habe dann später wieder nachgesonnen und das Richtige getroffen.“
„Was wäre dies denn, mein Kind?“ fragte er.
„Soll ich es dir zeigen?“
„Freilich!“
Da nahm sie den Deutschen beim Kopf und küßte ihn.
„So meine ich es, Vater, und ich denke, daß er es wert ist!“
Die Augen des Hazienderos leuchteten, und dann wurden sie feucht. „Mein Kind, ist dies dein Ernst?“
„Von ganzem Herzen, Vater!“ versicherte sie.
„Und ist Señor Helmers zufrieden?“
„Oh, der liebt mich über alles, und das macht mich ja so glücklich!“
„Hat er es dir denn gesagt?“
„Jawohl!“ lachte sie unter Tränen.
„Wann denn?“
„Gestern abend.“
„Und wo denn?“
„Im Garten. Aber, Vater, mußt du denn das alles wissen? Ist es dir denn nicht genug, daß ich glücklich bin, recht sehr, sehr glücklich?“
„Ja, ja, das ist mir genug, obgleich ich dir sagen muß, daß du auch mich ganz glücklich machst. Und Sie, Señor Helmers, wollen Sie denn wirklich der Sohn eines so alten, einfachen Mannes sein?“
Dem guten Deutschen liefen die Tränen in zwei hellen Bächen über die Wangen.
„O wie gern, wie so gern!“ antwortete er. „Aber ich bin arm, sehr arm, Señor!“
„Nun, so bin ich desto reicher, und das hebt sich also auf. Kommt an mein Herz, ihr guten Kinder. Gott segne uns alle und lasse diesen Tag den Anfang eines recht frohen Lebens sein!“
Sie lagen sich in den Armen und hielten sich umschlungen lange, lange Zeit in tiefer Rührung und reinster Wonne, als sich die Tür öffnete und – der Graf wieder eintrat.
Er blieb ganz erstaunt stehen; er verstand, was hier vorging, und wurde leichenblaß vor Grimm.
„Ich kam eines der Pferde wegen“, entschuldigte er sich; „aber ich sehe, daß ich störe!“
„Gehen Sie nicht eher“, sagte der Haziendero, „als bis Sie erfahren, daß ich meine Tochter Señor Helmers verlobt habe!“
„Gratuliere!“
Mit diesem wütig herausgepreßten Wort verschwand er wieder. Petro Arbellez hatte nichts Eiligeres zu tun, als sein Gesinde zusammenrufen zu lassen, um ihnen zu erklären, daß heute Feiertag sei, da die Verlobung von Doña Emma gefeiert würde. Die Hacienda und ihre Umgebung hallten wider von dem Jubel der Vaqueros und Indianer, welche im Dienst des Haziendero standen. Sie alle hatten ihre Herrschaft lieb und hatten gestern ja auch den Deutschen als einen Mann kennengelernt, dem man die schöne Tochter Arbellez' gönnen konnte. Als Helmers einmal hinaus auf die Weide trat, kam ihm der Häuptling der Mixtekas entgegen.
„Du bist ein tapferer Mann“, sagte er; „du besiegst den Feind und eroberst
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