44 - Die Intrige von Antares
allerdings schien es sich nicht um einen Ng'groganer zu handeln. Wenn Mimi jeden in ihre fetten Arme schloß, würde sie mit dem dürren Ferdie zufrieden sein. Er erblickte ihr feistes Mondgesicht, das aus der Tür sah, und stürmte mit ausgebreiteten Armen auf sie zu. »Mimi! Meine kleine Turteltaube!«
Sie verschwanden im Zimmer und schlugen die Tür hinter sich zu. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und sah Tiri, die den Kopf aus der nächsten Tür steckte. Sie schien eher neugierig als alarmiert zu sein.
Ich trat aus meinem Versteck und legte den Finger an die Lippen, dabei fiel mir noch gerade rechtzeitig ein, den einfältigen Gesichtsausdruck fallen zu lassen, der Mimi so verzaubert hatte.
Im nächsten Augenblick standen wir in ihrem Zimmer und schlossen leise die Tür. Sie trug ein hübsches kurzes Nachtgewand und sah einfach phantastisch aus.
»Drajak!« flüsterte sie anklagend. »Wo hast du gesteckt? Was ist geschehen? Die Stadtwache ...«
»Es ging um Strom Kordens Zorca. Ich dachte, ich hätte mich auf das gaunerische Geschick dieses Rapas verlassen können. Vielleicht war er zu sorglos. Wie dem auch sei, ich hielt es jedenfalls für angebracht, mich dort abzusetzen, vor allem nachdem die Neuigkeiten bekannt wurden.«
»Es ist das Stadtgespräch. Es hat sogar den Tod des Königssohns in Vergessenheit geraten lassen. Was hast du ...«
»Ich muß dieses hübsche Gewand loswerden und ein paar vernünftige Kleidungsstücke finden. Du hast Strom Kordens Schwert sicher verwahrt?«
»Ja, natürlich.«
Ich musterte sie sorgfältig. Sie sah müde aus. Dennoch konnte einem keinesfalls ihr trotzig erhobenes Kinn entgehen. Das schöne Haar war zurückgekämmt und glänzte mit einem goldenen Schimmer. Sie war tatsächlich ein tapferes Mädchen, das sich dem Schrecken, der ihre Welt zerstört hatte, mutig entgegenstellte und darum kämpfte, sich mit den Geschehnissen abzufinden.
In diesem Augenblick wußte ich, daß ich mir um die junge Tirivenswatha keine großen Sorgen mehr machen mußte.
»Bist du von der Stadtwache vernommen worden?«
»Nein. Ich habe mich ruhig verhalten. Aber ...«
»Aber was?« Wir flüsterten angespannt.
»Ich sollte zu ihnen gehen und alles erklären. Dann würde bald ...«
Diese Möglichkeit hatte natürlich die ganze Zeit auf der Hand gelegen, und möglicherweise war es dazu noch nicht zu spät. Ich hatte mich von Anfang an dagegen entschieden.
»Ich möchte nicht, daß du in die Sache verwickelt wirst, Tiri.«
»Oh, ich weiß, daß man in Bharang Tolaar anbetet. Cymbaro wird hier lediglich als ein Kult angesehen. Doch ich bin eine von Cymbaros Tänzerinnen, und man wird mir zuhören.«
»Ich halte das für keine gute Idee. Es wären zu viele Erklärungen fällig.« Ich dachte dabei natürlich an Strom Kordens geheimnisvollen Auftrag, den ich auf jeden Fall ausführen wollte.
»Doch du bist jetzt ein Flüchtling! Ein Leemkopf!«
»Das erlebe ich nicht zum ersten Mal, und es wird garantiert nicht das letzte Mal sein. Nun ist es Zeit zum Schlafengehen, junge Dame. Ich werde mich auf den Boden legen, und morgen früh können wir mit klarem Kopf besser nachdenken.«
Sie legte sich ins Bett und deckte sich zu. Ihre graugrünen Augen musterten mich nachdenklich. »Glaub bloß nicht, daß du mir für alle Zeiten sagen kannst, was ich zu tun habe, Drajak. Wenn ich in Oxonium bin, werde ich im Schrein um Trost und Rat nachfragen.« Sie schien davon überzeugt zu sein. »San Paynor wird mir alles erklären.« Mit diesen Worten kuschelte sie sich in ihre Decke und war gleich darauf eingeschlafen.
O ja, die junge Tiri war tatsächlich ein temperamentvolles Mädchen, bei dem das Herz auf dem rechten Fleck saß.
Im Verlauf des folgenden Morgens nahmen die Ereignisse eine völlig unerwartete Wendung. Tiri ging mit ein paar Gold-Rhoks und Silber-Bhins in die Stadt und kam mit Kleidung zurück. Ich hatte ihr gesagt, wie lang das rote Tuch für den Lendenschurz zu sein hatte, außerdem brachte sie noch einen Shamlak mit. Er hatte Ähnlichkeit mit einem langen Hemd, das auf der ganzen Länge etwa eine Handbreit aufklaffte. Ich mußte sofort an Mimis Nachtgewand denken. Es wurde auf der Brust mit Schnüren zusammengehalten, die man an den gegenüberliegenden Knöpfen befestigte. Der Shamlak erinnerte an den Dolman der Husaren; er wurde sowohl von Männern wie von Frauen getragen. Die Damen trugen darunter einen Wickelrock, und die Herren kurze Kilts. Das Ganze sollte leicht,
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