44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
sie bezwang sich und erwiderte kalt:
„So mögen sie!“
„Was? So mögen sie. Wir sollen den wirklichen Grafen Rodriganda entkommen lassen?“
„Der falsche bringt uns auch keinen Nutzen.“
„Das sollst du nicht sagen! Ich habe dir ja gestern wieder versprochen, daß er dich heiraten soll. Ich werde an meinen Bruder schreiben.“
„Warte noch.“
„Bis wann?“
„Bis übermorgen.“
Cortejo schüttelte den Kopf. Er verstand sie nicht; sie war ihm ein Rätsel. „Also gehst du zur Phantasia?“ erkundigte er sich.
„Ja.“
„Ich begleite dich.“
„Ich gehe allein.“
Er schüttelte abermals den Kopf und hielt es für das beste, sich zurückzuziehen. Kaum aber war er fort, so riegelte sie die Tür hinter ihm zu, warf das Tuch ab und begann, sich Hals, Busen, Stirn und Nacken mit Puder zu bestreichen und auf die Wangen Rot zu legen. Sie wollte sehen, ob sie auf diese Weise schöner werden könne.
Da klopfte es leise an die Tür.
„Wer ist da?“ fragte sie.
„Amaika.“
Sofort sprang Josefa zur Tür und öffnete. Es trat eine alte Indianerin ein. Sie diente im Haus und genoß das Vertrauen der Señorita, deren eigentliches Mädchen für eine Plaudertasche galt. Josefa schloß wieder zu, stellte sich vor den Spiegel und sagte:
„Amaika, sieh mich an! Bin ich schön oder häßlich?“
Die Alte schlug die Hände zusammen und antwortete:
„Häßlich? O Madonna, wie können Sie häßlich sein. Schön, sehr schön sind Sie!“
„Meinst du das wirklich?“
„Ja, bei meiner armen Seele!“ beteuerte die heuchlerische Alte.
„So hat der Puder also wirklich geholfen? Soll ich die Wangen noch mehr röten?“
„Nein, Señorita. Sie sehen so recht zart und lieblich aus. Man muß Sie lieben.“
„Man, ja man, aber er nicht.“
„Er?“ lächelte die Indianerin. „Er wird Sie umarmen und küssen, wenn Sie so wie jetzt heute abend nach der Phantasia zu ihm treten. Sie sind ja so reizend, daß er gar nicht widerstehen kann.“
„Aber ob er kommen wird?“ fragte sie, sich geschmeichelt fühlend.
„Er wird kommen.“
Diese Worte wurden in einem so bestimmten Ton ausgesprochen, daß diese Sicherheit Josefa auffiel. Sie wandte sich daher rasch zu der Indianerin und fragte:
„Weißt du das genau?“
„Sehr genau, Señorita. Ich wache über Ihnen und tue alles, um Sie glücklich zu sehen.“
„Wer sagte das?“
„Dieser Zettel.“
Dabei zog die Alte einen gedruckten Zettel aus der Tasche und reichte ihn Josefa hin.
Die hervorragenden Bewohner Mexikos pflegen von Zeit zu Zeit wilde Kampfspiele zu veranstalten, bei denen oft ganz bedeutende Preise erstritten werden. Sie finden gegen Abend statt, wenn die Sonnenhitze nicht mehr so drückend ist, und dann folgt am Abend noch eine Maskerade, an der sich alles beteiligen kann, was Lust und Freude an dergleichen Dingen findet. Die höchsten Señores beteiligen sich an diesen Kampfspielen, die oft wirklich lebensgefährlich sind, und auch jeder anständige Fremde wird zur Arena gelassen, natürlich mit den Waffen, für die er sich entscheidet.
Ein solches Kampfspiel wird Phantasia genannt, und heute abend sollte eines derselben stattfinden. Der Zettel, den die Alte gebracht hatte, enthielt die Namen derer, die mit kämpfen wollten.
Josefa las diese Namen der Reihe nach leise, zwei aber laut und zwar folgende: „Señor Carlos Sternau für Lasso, Büchse, Degen und Dolch, Señor Alfred de Lautreville für Büchse, Degen und Dolch.“
So lauteten die beiden Namen.
„Ah, ich wußte es, er ist ein Held!“ sagte sie. „Er kämpft nicht nur mit einer Waffe, sondern mit drei, er wird einen Preis gewinnen. O, wenn er denselben aus meiner Hand erhalten könnte!“
Die Indianerin machte ein sehr verschmitztes Gesicht.
„Das kann er ja“, sagte sie.
„Inwiefern? Die Gräfin Móntala teilt ja die Preise aus.“
„Diese Preise, ja. Aber können Sie ihm nicht auch einen Preis geben?“
Josefa errötete und fragte:
„Welchen?“
„Einen Kuß, eine Umarmung, eine recht innige und zärtliche.“
„Vielleicht. Du wirst mich begleiten und dafür sorgen, daß ich ihn finde.“
Damit war die Alte von Herzen einverstanden, und beide trafen ihre Vorbereitungen für den genußreichen Abend. –
Auch im Palazzo des Lord Lindsay traf man dergleichen Vorbereitungen, denn da Mariano sich wieder erholt hatte, da seine Augen wieder leuchteten, seine Wangen sich gefüllt und frisch gerötet hatten, und er ein Pferd mit derselben Sicherheit
Weitere Kostenlose Bücher