44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
wie früher tummeln konnte, hatte er sich entschlossen, an der Phantasia teilzunehmen, und Sternau hatte ihm versprochen, das gleiche zu tun.
Sternau war allerdings in den letzten Tagen sehr einsilbig und nachdenklich gewesen und zwar infolge eines kurzen Gespräches. Am Abend nach jenem Frühstück, an dem die beiden Cortejos teilgenommen, hatte ihn nämlich der Lord unter vier Augen gefragt:
„Herr Sternau, was sagen Sie zu dem Herzog von Olsunna?“
„Sie meinen zu der Verwechslung?“
„Ja, und zu Ihrer Ähnlichkeit mit ihm?“
„Das ist ein seltenes und interessantes Naturspiel, weiter nichts.“
„Ich finde es auffällig. Ihr Vater war aus Deutschland?“
„Ja.“
„Und Ihre Mutter?“
„Auch sie.“
„Sprachen Sie nicht vorgestern mit Mariano davon, daß Ihre Mutter in Spanien Erzieherin gewesen sei?“
„Das ist sie allerdings gewesen.“
„Nun, mein Freund, ich will das Andenken Ihrer Mutter nicht entheiligen, aber aus Zufall scheinen keine solchen Ähnlichkeiten zu entstehen. Denken Sie nach!“
Und Sternau hatte nachgedacht. Aber dieses Nachdenken war ihm wie eine Sünde gegen die Mutter erschienen; er hatte gegen die aufkeimenden Gedanken gekämpft, war ihrer aber doch nicht völlig Meister geworden, und um sich zu zerstreuen, war er gern bereit, an der Phantasia mit teilzunehmen.
Der Nachmittag rückte heran, und Tausende zogen hinaus auf die Ebene, wo eine Arena für die Kämpfer abgesteckt worden war. An einem bestimmten Ort versammelten sich die Kämpfer und ritten dann hinaus. Als ihr Zug den Platz erreichte, tönte ihnen ein donnernder Zuruf entgegen, und manches Frauenauge leuchtete den Gestalten der Tapferen glühend entgegen, die sich nicht scheuten, ihre Geschicklichkeit im Kampf zu messen.
Auf einem Balkon saßen die Preisrichter, umgeben von einem reichen Flor stolzer, schöner Frauen und Mädchen. Unter diesen befand sich auch Gräfin von Móntala, die schönste Witwe des ganzen Landes. Sie war umworben und angebetet von vielen, aber keiner von ihnen konnte Gnade finden vor ihren Augen. An ihrer Seite saß eine Freundin, die aus Morelia herbeigekommen war, die Kampfspiele mit anzusehen.
Soeben nahte der Zug der Streiter, alle ohne Unterschied in die reiche, mexikanische Tracht gekleidet. Da stieß die Freundin die Gräfin an und fragte:
„Dios, wer ist der Ritter, der dort auf dem Rappen soeben durch den Eingang reitet?“
„Hast du ihn noch nicht gesehen?“ fragte die Gräfin wieder.
„Nie.“
„Ja, ja, du warst seit drei Wochen nicht in der Hauptstadt.“
Die schöne Gräfin verfolgte den Reiter mit glühenden Blicken und vergaß dabei, der Freundin Antwort zu geben.
„Nun?“ erinnerte diese.
„Er ist ein Deutscher“, klang die kurze Antwort.
Die Freundin blickte die Gräfin forschend an, lächelte heimlich und sagte: „Ein Deutscher! Ist das alles, was du von ihm weißt?“
„Er ist der Gast des englischen Gesandten.“
„Lord Lindsays?“
„Ja.“
„So ist er nicht von gewöhnlichem Stand, denn Lindsay ist exklusiv.“
„Im Gegenteil, er ist Arzt.“
„Und heißt?“
„Auf der Kampfliste steht Carlos Sternau.“
Wieder lächelte die Freundin.
„Auf der Kampfliste? Du hast den Namen früher nicht gekannt und gehört?“
„Gehört, aber wieder vergessen.“
„Wohl dir!“
„Warum?“
„Ich glaubte, wer diesen Mann einmal gesehen hat, der könne ihn nie vergessen. Dir ist dies wenigstens mit dem Namen gelungen. Sieh diese Gestalt!“
„Zu massiv, viel zu massiv.“
Die Freundin lächelte zum dritten Mal heimlich.
„Das ist Sache des Geschmackes“, sagte sie.
„Ich traue seiner starken Figur keine Gewandtheit zu. Und ein Deutscher, wie kann er sich in Lasso und Dolch mit einem Mexikaner messen! Die Deutschen sind zu zahm. In Büchse und Degen mögen sie einige Übung haben.“
„Du tadelst ihn, folglich ist er dir gefährlich!“
„Pah!“ entgegnete die Gräfin stolz. Dabei folgte ihr Auge aber unverwandt der stattlichen Gestalt Sternaus.
„Und wer ist der Señor an seiner Seite?“ fragte die Freundin.
„Ein Freund des Deutschen und ebenso Gast des englischen Gesandten. Er ist Offizier und nennt sich Alfred de Lautreville.“
„Du scheinst diese Fremden genau zu kennen?“
„Was willst du? Die ganze hiesige Damenwelt ist vernarrt in sie.“
„Natürlich außer dir!“
„Ich bestreite das nicht. Man ist gefeit gegen das, was andere Liebe nennen. Ich danke!“
Nachdem jeder der Kämpfer seinen Platz
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