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44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

Titel: 44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zu sehen. Würden Sie vielleicht die Güte haben, mich oder uns dorthin zu begleiten, Señor Sternau?“
    „Ich stehe zur Verfügung“, antwortete der Gefragte.
    Über das Gesicht des Rittmeisters glitt ein Zug der Befriedigung, den er nicht sofort zu beherrschen vermochte. Sternau, gewohnt, selbst auf das Geringste zu achten, bemerkte dies, es fiel ihm auf; es kam ihm vor, als sei der Rittmeister aus irgendeinem Grund froh, diese Zusage der Begleitung zu erhalten. Er wurde aufmerksam und mißtrauisch, ließ sich aber nichts merken.
    „Und wann können wir reiten?“ fragte Verdoja.
    „Ganz wann es Ihnen beliebt, Señor“, antwortete Sternau.
    „So werde ich mir erlauben, Ihnen die Stunde mitzuteilen.“
    Damit war dieser Gedanke abgetan und wurde im weiteren Verlauf des Gespräches auch nicht wieder berührt.
    Nach dem Abendmahl begaben sich die Offiziere nach ihren Gemächern. Der eine Leutnant, ein junger Wüstling, legte sich in sein Fenster, um die von dem Wachfeuer erleuchtete Szenerie zu genießen. Da erblickte er ein weißes Frauengewand, welches aus den dunklen Bouquets des Blumengartens emporleuchtete.
    „Eine Dame“, dachte er. „Wo Damen sind, da gibt es Abenteuer; da sucht man Liebe und Erhörung. Ich gehe hinunter.“
    Der Mexikaner ist gewohnt, mit jeder Dame zu tändeln; er findet niemals eine Zurechtweisung, und so machte sich Leutnant Pardero kein Bedenken, sich ein kleines Abenteuer zu suchen. Die Soldaten hatten den Blumengarten respektiert, sie waren nicht in denselben eingedrungen, und so kam es, daß sich die Dame ganz allein befand. Es war Karja, die Indianerin, die Schwester ‚Büffelstirns‘.
    Sie hatte sich im Garten ergangen, um der Vergangenheit zu gedenken. Sie dachte an Graf Alfonzo, den sie geliebt hatte, und wunderte sich, daß es möglich gewesen war, einem solchen Menschen ihr ganzes Herz zu schenken, jetzt haßte sie ihn. Sie dachte an ‚Bärenherz‘, den tapferen Häuptling der Apachen, der sie geliebt hatte, und wunderte sich, daß es möglich gewesen war, einem solchen Krieger gegenüber kalt und gleichgültig zu bleiben; jetzt liebte sie ihn. Wie glücklich wäre sie gewesen, ihn einmal wiederzusehen.
    Aus diesem Sinnen weckte sie ein leiser Schritt, der in ihrer Nähe erklang. Sie blicke auf und sah den Leutnant. Sie wollte sich entfernen, er aber trat ihr in den Weg und bat mit einer galanten Verbeugung:
    „Entfliehen Sie mir nicht, Señorita! Es sollte mir leid tun, wenn ich Sie im Genuß dieser herrlichen Blumendüfte störte.“
    Sie blickte ihn forschend an und fragte dann:
    „Wen suchen Sie, Señor?“
    Es war ziemlich dunkel, aber die Wachtfeuer warfen ihren Schein über die Planken herein, und bei diesem flackernden Licht erblickte er eine schlanke und doch volle Gestalt, welche fast negligé gekleidet war, und ein dunkel gefärbtes Gesicht mit glühenden Augen und einem Lippenpaar, welches zum sofortigen Genuß einlud. Er sah nach seiner Meinung eine jener üppigen, feurigen Indianerinnen vor sich, welche es für ein Glück zu rechnen haben, wenn ein Weißer die Knospe bricht, welche ihm entgegenschwillt.
    „Ich suche niemand“, antwortete er. „Der Abend war so schön, und da trieb es mich in den Garten. Ist der Zutritt zu demselben verboten?“
    „Den Gästen des Hauses steht alles offen.“
    „Aber Sie werden durch meine Gegenwart gestört, schöne Señorita?“
    „Karja läßt sich durch niemand stören“, sagte sie. „Es ist Raum für uns beide in dem Garten.“
    Das war ein Wink, sich zu entfernen, aber der Leutnant tat so, als ob er ihn nicht verstanden habe. Er trat dem Mädchen einen Schritt näher und sagte:
    „Karja heißen Sie. Wie kommen Sie auf diese Hacienda?“
    „Señorita Emma ist meine Freundin.“
    „Wer ist Señorita Emma?“
    „Sie sahen Sie noch nicht? Sie ist die Tochter von Señor Pedro Arbellez.“
    „Haben Sie noch Verwandte hier?“ fragte er als ein gewandter Verführer, der stets wissen muß, ob er die Rache eines Verwandten zu fürchten hat.
    „‚Büffelstirn‘ ist mein Bruder.“
    „Ah“, sagte er, sehr unangenehm berührt. „‚Büffelstirn‘, der Häuptling der Mixtekas?“
    „Ja“, antwortete sie in einem selbstbewußten Ton.
    „Befindet er sich gegenwärtig auf der Hacienda?“
    „Nein.“
    „Aber er war doch gestern hier. Er ist mit Señor Sternau nach der Schlucht des Tigers gegangen und hat dort am Kampf mit teilgenommen?“
    „Er ist ein freier Mann; er geht und kommt, wie es ihm gefällt

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