44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
drückte die Tür hinter sich zu. Er stand da und starrte lange Zeit die Tür an.
„Donnerwetter!“ meinte er. „Welch eine Schönheit. Die ist noch rein und unbeschmutzt. Das reizt den Appetit. Es ist mir noch gar nicht so gegangen wie jetzt, daß ich gleich beim ersten Anblick so perfekt verliebt bin. Das wird ein reizendes Quartier. Wäre ich nicht bereits verheiratet, so wäre ich vielleicht nicht im Stand, hier an dieser wunderbar hübschen Klippe zu scheitern. Aber mein muß sie werden.“
Emma war froh, glücklich entkommen zu sein. Die unlautere Begierde, mit welcher die Augen dieses wüsten Mannes auf ihr geruht hatten, erschreckte sie, und sie nahm sich vor, seine Nähe so viel wie möglich zu meiden. Sie begab sich von ihm direkt nach dem Krankenzimmer, wo jetzt ihr immerwährender Aufenthalt war.
Dort fand sie Sternau und Helmers, welche neben dem Kranken saßen. Der Zustand desselben war ein befriedigender. Die Operation war vortrefflich gelungen, und das Wundfieber machte ihm noch nicht viel zu schaffen. Er besaß sein vollständiges Bewußtsein, wenigstens in diesem Augenblick, und sprach mit dem Arzt, welcher ganz in der Nähe des Bettes saß. Als er die Geliebte bemerkte, breitete sich die Röte der Freude über sein blasses Gesicht.
„Komm her, Emma“, bat er. „Denk dir, Herr Doktor Sternau behauptet, meine Heimat zu kennen.“
Emma wußte dies bereits, aber sie stellte sich, als ob es ihr neu sei.
„Ah“, sagte sie, „das ist ein sehr glückliches Zusammentreffen.“
„Ja. Meinen Bruder kennt er auch. Er hat ihn vor seiner Abreise gesehen.“ Dieser Bruder saß hinter dem Fenstervorhang; daß er da sei, durfte der Patient noch nicht wissen! Es war notwendig, jede Aufregung, mochte sie nun eine fröhliche, oder traurige sein, von ihm fernzuhalten. Er war durch seinen krankhaften Zustand und die darauf folgende Operation so geschwächt, daß er fast stets im Schlaf, oder in einem traumhaften Halbwachen lag, und so waren die hellen Augenblicke, wie der gegenwärtige, selten.
Dies zeigte sich auch jetzt. Kaum hatte sich Sternau erhoben und Emma an seiner Stelle Platz genommen, so ergriff der Kranke ihre Hand, lächelte ihr glücklich zu und schloß die Augen. Er pflegte mit ihrer Hand in der seinigen einzuschlafen. Dies tat er auch jetzt.
„Sie hegen keine Befürchtung mehr?“ flüsterte da Emma Sternau zu.
„Nein. Diese stets wiederkehrende Ruhe, dieser gesunde Schlaf wird ihn körperlich und geistig schnell kräftigen. Wir haben nichts zu tun, als das Besserungsbestreben der Natur zu unterstützen, indem wir alles Störende von ihm fernhalten. Aber Sie selbst müssen sich auch die nötige Ruhe gönnen, sonst bringt uns die Heilung des einen die Erkrankung des andern.“
„Oh, ich bin stark, Señor!“ sagte sie. „Haben Sie um mich keine Sorge.“
Sternau ging und nahm Helmers mit sich. Sie begaben sich hinab vor das Haus, um das Lagerleben der Soldaten in Augenschein zu nehmen. Dort trafen sie auch Mariano, den die gleiche Absicht herbeigetrieben hatte.
Die Lanzenreiter waren beschäftigt, Holz zu ihren Lagerfeuern herbeizuschaffen. Sie trugen, während die Pferde frei zur Weide gingen, die Sättel zusammen, die als Kopfkissen zu dienen hatten. Arbellez hatte ihnen einen Stier zur Verfügung gestellt, welchen sie geschlachtet hatten und jetzt bereits zerstückelten. Alles das gab ein lebhaftes, bewegtes Bild, welchem die Männer eine ganze Weile zuschauten.
Dann kam die Zeit des Nachtmahles. Sie begaben sich nach dem Speisesalon, wo sich auch bald die Offiziere einstellten. Der erste Blick des Hauptmanns oder Rittmeisters flog in der Runde herum, um zu sehen, ob Emma anwesend sei. Verdoja fühlte sich enttäuscht, als er bemerkte, daß sie nicht zugegen war. Die alte, gute Hermoyes mußte ihre Stelle vertreten.
Arbellez stellte die Gäste einander vor. Die mexikanischen Offiziere verhielten sich höflich, aber zurückhaltend gegen die Fremden. So feine Caballeros, wie sie, brauchten um die Gunst eines Deutschen nicht zu buhlen.
Verdoja beobachtete Sternau, Helmers und Mariano; das waren die Männer, deren Tod ihm einen Länderbesitz im Wert von über einer Million einzubringen hatte. Sein Auge glitt über Mariano und Helmers schnell fort und blieb auf Sternau haften. Die mächtige Gestalt desselben imponierte ihm. Mit diesem Mann war nicht leicht anzubinden; der war ja ein Riese, stärker als Verdoja selbst. Und welches Selbstbewußtsein in jeder seiner Bewegungen und
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