44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
dessen Südseite die unter allen seefahrenden Nationen berühmte Stadt Greenock liegt. Auf den Werften dieser Stadt sind viele Schiffe des deutschen Lloyd und der deutschen Kriegsmarine gebaut worden, und manches stolze Orlogschiff, sowie manches große oder kleine Handelsfahrzeug durchfliegt die See, das Greenock zum Geburtsort hat.
In einem der frequentesten Hotels dieser Stadt finden wir Sternau und den Steuermann Helmers. Sie hatten sich hierher begeben, weil es hier am leichtesten ist, ein kleines Fahrzeug, wie sie es suchten, kaufen zu können. Sie hatten bereits den ganzen Hafen und auch die Werften abgesucht, ohne ein solches zu finden, und saßen nun an der Table d'hotel, sich während des Essens von dieser Angelegenheit unterhaltend.
Gegenüber saß ein alter Herr, der ihre Worte hörte und daraufhin ihnen mitteilte, daß oben am Fluß eine ganz prachtvolle Dampfjacht liege, die zu verkaufen sei.
Er fügte hinzu, daß ein dort in der Nähe wohnender Advokat mit dem Verkauf derselben beauftragt sei, das Fahrzeug liege gerade vor der Tür der Villa, die derselbe bewohne.
Sternau dankte ihm für diese Mitteilung und machte sich nach beendigtem Diner sofort mit dem Steuermann auf, die Jacht anzusehen. Sie hatten nur den Hafen bis dahin untersucht, wo der Fluß in denselben mündet, jetzt aber schritten sie am Ufer weiter aufwärts, und nach einiger Zeit entdeckten sie die betreffende Jacht, die am Ufer vor Anker lag. Es war einer jener ausgezeichneten Schnelldampfer, hundert Fuß lang, sechzehn Fuß breit und sieben Fuß tief, mit zwei Masten, Takel- und Segelwerk versehen, um den Dampf durch die Kraft des Windes zu unterstützen, so daß in Beziehung auf Geschwindigkeit es kein anderes Schiff mit einer solchen Jacht aufzunehmen vermag.
Da ein Brett das Ufer mit dem Bord verband, gingen sie vorläufig an Deck, die Luken waren offen, und auch die Kajüte war unverschlossen. Die Jacht zeigte eine prachtvolle Einrichtung, und als Helmers als Kenner alles übrige genau untersucht hatte, sprach er sein Gutachten dahin aus, daß das Schiff ein ausgezeichnetes sei und nichts zu wünschen übrig lasse.
Sie kehrten nun an das Ufer zurück, und als sie die betreffende Villa in einem Garten liegen sahen, an dessen offen stehender Pforte ein Schild mit der Aufschrift befestigt war: ‚Emery Millner, Advokat‘, traten sie ein, schritten durch den Garten und trafen da eine Dienerin, die sie nach dem Zimmer des Advokaten führte. Hier gaben sie ihre Absicht kund und erfuhren, daß sowohl die Villa als auch die Jacht Eigentum des Grafen von Nothingwell seien.
„Des Grafen von Nothingwell?“ fragte Sternau überrascht. „Darf ich Sie um den vollständigen Namen des Grafen bitten?“
„Sir Henry Lindsay von Nothingwell“, antwortete der Advokat.
„Ach, dessen Tochter vor einiger Zeit auf Schloß Rodriganda in Spanien bei Gräfin Rosa, ihrer Freundin, zu Besuch war?“
„Gewiß“, antwortete der Engländer, nun seinerseits erstaunt. „Kennen Sie die Dame?“
„Sehr gut sogar. Auch ich befand mich auf Rodriganda und darf mir wohl erlauben, mich ihren Freund zu nennen.“
Sternau sowohl als auch der Steuermann hatten natürlich ihren Namen genannt, daher rief der Advokat erfreut:
„So sind Sie wohl gar jener Arzt Sternau, der den alten Grafen operierte?“
„Allerdings.“
„Dann ist es mir eine große Freude, Sie bei mir zu sehen! Sir Lindsay und Miß Amy waren vor ihrer Abreise nach Mexiko hier, und die Dame hat uns sehr viel von Ihnen erzählt. Sie müssen wissen, daß sie sehr freundschaftliche Gesinnungen für meine Frau hegt und ihr alles mitteilt, was in Rodriganda geschehen ist.“
„So will ich aufrichtig sein und Ihnen sagen, daß Gräfin Rosa de Rodriganda jetzt meine Frau ist. Sie wohnt in Deutschland bei meiner Mutter.“
„So schnell ist das gegangen!“ rief der Advokat. „Aus der Erzählung von Miß Amy ersahen wir allerdings, daß sich ein solches Ereignis vermuten lasse, daß es aber so bald eingetreten ist, kann nur eine Folge ganz außerordentlicher Verhältnisse sein. Fast bin ich begierig, dieselben zu erfahren.“
„Da Miß Amy Ihnen ihr Vertrauen geschenkt hat, so habe ich keinen Grund, Ihnen das meinige zu verweigern“, sagte Sternau höflich.
„So bitte ich Sie, Ihnen vor allen Dingen meine Frau vorstellen zu dürfen. Ich ersuche Sie dringend, für die Zeit Ihres Aufenthaltes in Greenock mein Gast zu sein.“
Sternau mußte trotz seiner anfänglichen Weigerung die
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