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44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

Titel: 44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Wissenschaften ein, die ihm beistimmte, ließ große Berichte und Annoncen in die Blätter setzen, faßte eine Quelle ein und erbaute ein Kurhaus in unmittelbarer Nähe derselben.
    Von da an kamen allerlei Kranke und Gesunde herbeigepilgert, um sich heilen zu lassen, oder sich in der erquickenden Seeluft und in den stärkenden Meereswogen zu erfrischen. Es wurden Wege gebaut, Promenaden mit Ruhebänken angelegt, und bald entwickelte sich in der Nähe des alten Leuchtturmes ein Leben, dem der mürrische Wärter Gabrillon mit immer finsterem Blick zuschaute. – – –
    Es war an einem schönen Sommernachmittag. Gestern hatte es ein wenig gestürmt, und die See zeigte heute noch einen ziemlich hohen Gang, aber die Luft war klar, und man konnte bis weit in die See hinaus die Möwen erkennen, die über die Wogenkämme strichen, um Fliegen und Mücken zu haschen. Ihre Flügel glänzten im Sonnenstrahl, und wenn ein breitschwingiger Albatros durch die Lüfte schoß, so funkelte sein weißes Gefieder zwischen den dunklen Schwingen wie hellpoliertes Silber.
    Ein dicker Mann, mit einer goldenen Brille auf der Nase und einem spanischen Rohr in der Hand, schritt von der Stadt her nach einer der Fischerhütten, die am Strand lagen, herab. Ihm folgte ein junger Mensch, der eine große Schreibmappe und ein riesiges Tintenfaß zu tragen hatte.
    Vor der Hütte saß der Besitzer derselben und strickte an einem Netz.
    „Ihr seid der Fischer Jean Foretier?“ fragte der Dicke.
    „Ja, so heiße ich, Herr Notar.“
    „Es wohnen Badegäste bei Euch?“
    „Ja. Es ist ein vornehmer Herr mit seiner Tochter, einem Diener und einer Dienerin. Sie haben ihre eigenen Möbel und Betten mitgebracht, und da sie das ganze Haus gebrauchen, so mußte ich weichen und schlafe beim Nachbar Grandpierre.“
    „Wer ist der Herr?“
    „Es ist ein Spanier; er nennt sich Herzog von Olsunna.“ Leise setzte der Fischer hinzu: „Er wird nicht mehr lange machen, Herr Notar. Er hat die Auszehrung; er spuckt Blut, hustet Tag und Nacht und kann kaum noch einen Schritt weit gehen. Ich denke, unsere Seeluft kann ihn nicht mehr retten, und in einer Woche wird er gestorben sein.“
    „Liegt er?“
    „Ja. Die beiden Domestiken sind zur Stadt gegangen, aber die gnädige Dame ist bei ihm.“
    „In welchem Zimmer?“
    „Hier unten auf der anderen Seite. Sie können klopfen und eintreten. Er ist nicht stolz und verlangt nicht, daß man sich vorher anmelden lasse.“
    Der Notar folgte dieser Anweisung, klopfte behutsam an und trat nach einem leisen, von einer weiblichen Stimme gesprochenen „Herein“ in die Stube.
    Der Raum war einfach und niedrig, wie er in einem Schifferhaus zu sein pflegt, aber die Möblierung war bequem, beinahe elegant. Auf einer Chaiselongue ruhte der Patient. Sein wachsbleiches Gesicht war über alle Maßen abgemagert, und seine dunklen Augen blickten glanz- und hoffnungslos aus den tiefen Höhlen. Ein langgewachsener, schwarzer, struppiger Vollbart ließ seinen Teint noch bleicher erscheinen, und die hohe, breite, kahle Stirn schien einem ausgegrabenen Totenkopf anzugehören.
    Neben ihm saß eine hoch und stark gebaute Dame. Sie mochte fast dreißig Jahre zählen, aber ihr Gesicht zeigte eine reine, mädchenhafte Frische, und ihre bei aller Fülle doch schlanke Gestalt hatte so jungfräuliche Linien, daß man sie für noch unverheiratet halten mußte. Eine Falte, die sich über ihre weiße, hohe Stirn zog, schien mehr die Folge einer tiefen Herzenssorge als des Alters zu sein. Ihr großes Auge hatte einen zwar jetzt bewegten, aber offenen Ausdruck. Wer in dieses Auge und in die Züge sah, mußte der Dame vertrauen und sie lieb gewinnen.
    Es war Prinzeß Flora von Olsunna, die Tochter des Herzogs.
    Sie blickte die beiden Eintretenden überrascht und erwartungsvoll an. Der Notar verbeugte sich höflich und sagte:
    „Exzellenz haben nach mir gesandt. Ich bin der Notar Belltoucheur aus Avranches.“
    „Nach einem Notar hast du gesandt, Papa?“ fragte Flora, indem sie sich erschrocken erhob.
    „Ja, mein Kind“, antwortete der Herzog mit leiser, trockener Stimme. „Ich wollte dich nicht beunruhigen, darum sagte ich es dir nicht. Du brauchst nicht zu erschrecken, es ist eine Geschäftsangelegenheit, die ich mit diesem Herrn zu ordnen habe.“ Nachdem ihn ein böser Husten unterbrochen hatte, fuhr er, zu dem Notar gewandt, fort. „Ich danke Ihnen, daß Sie gekommen sind, mein Herr, aber ich ließ Sie bitten, drei Zeugen

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