45 - Die Banditen von Antares
ich wurden für alle unsere Sünden bestraft und standen genau zwischen allen Fronten.
Wir zahlten die paar Kupferstücke, die die Fahrt mit der Seilbahn kostete. Ich hatte gehört, daß der Hügel der Händler auch Hügel der Tanzenden Geister genannt wurde, mich aber noch nicht nach dem Grund dafür erkundigt. Wir erreichten Nandishas Palast ohne Zwischenfall und waren kaum eingetreten, als uns Fweygo in voller Rüstung und mit Schwertern behangen entgegenkam. Sein ansehnliches Kildoi-Gesicht trug einen ausgesprochen mürrischen und verärgerten Ausdruck.
In der Schwanzhand hielt er einen Dolch, den er besonders mochte. Aus den Tiefen des Palastes ertönte großes Geschrei.
»Was ...?« fragte Tiri.
»Byrom, der junge Prinz. Er wird vermißt. Er ist mit ziemlicher Sicherheit entführt worden.«
Ich begriff sofort, warum mein Kamerad so wütend war. Die Herren der Sterne hatten uns beauftragt, die Numim-Zwillinge zu beschützen. Doch nun waren wir gezwungen, unsere ganzen Kräfte zur Rettung des kleinen Prinzen einzusetzen, da wir zumindest auf dem Papier in den Diensten seiner Mutter standen.
»Die Prinzessin?« Tiris Stimme verriet ihre Besorgnis.
»Sehr erschüttert und aufgeregt; ihre Familie ist bei ihr. Sie ruht sich aus.« Das Gebrüll eines Löwen dröhnte in unseren Ohren. Ranaj, der kräftige Vater der Numim-Zwillinge war wie Fweygo zur Schlacht gerüstet, und sein Temperament kam zum Vorschein. »Seid ihr fertig? Steh nicht dumm herum, Drajak! Welch ein Hulu! Komm schon – und du auch, Fweygo! Man hält den Prinzen im Zum gestutzten Rhok gefangen. Ein verrufener Ort. Schnell! Schnell!« Ob nun in den Diensten der Herren der Sterne oder nicht, wir hatten die Pflicht zu erfüllen, die wir Prinzessin Nandisha und ihrem Sohn schuldeten. Wir eilten hinaus.
3
»Tiri!« rief ich über die Schulter zurück. »Kümmere dich um unseren übelriechenden jungen Freund.«
»Ja. Und du – ich hoffe, dem Prinzen geht es gut.«
Es war unangebracht, meinen Shamlak wieder anzuziehen, da meine Freunde bereits die Nase rümpften. Mir blieb gerade noch genug Zeit, einen frischen überzustreifen, dann eilten wir hinaus. Männer, die ihr normales Tagewerk zu erledigen haben, laufen nicht in voller Rüstung und mit einem Waffenarsenal herum; wenn das der Fall ist, wissen die Umstehenden, daß sie dringliche Angelegenheiten tödlicher Art zu erledigen haben. Ich trug lediglich den frischen Shamlak – seine Farbe war ein geschmackvolles Blau – sowie Rapier und Main-Gauche; das schwere Seemannsmesser befand sich an seinem Platz über der rechten Hüfte. Fweygo, Ranaj und die Männer aus Prinzessin Nandishas Wache waren nicht nur bis zu den Zähnen, sondern bis zu den Augenbrauen bewaffnet.
Die Schenke Zum gestutzten Rhok, ein widerwärtiger Laden von üblem Ruf, befand sich auf dem Hügel der Lauernden Schatten, und man schenkte uns nur flüchtige neugierige Blicke, als wir die Seilbahnkabinen bestiegen, die uns ans Ziel brachten.
Fweygo erzählte mir die Einzelheiten, und wie so oft bei solchen Katastrophen war ein einfaches Mißverständnis an allem schuld.
Eine Wache kam zu spät, eine andere hatte sich krank gemeldet, der Prinz war allein mit einem Mann, ein plötzlicher Ansturm schwarz vermummter Gestalten, eine tote Wache – und schon mußten wir zur Rettung herbeieilen.
Fweygo deutete mit dem Kopf auf einen der jungen Wächter, die uns begleiteten.
»Wenigstens hat Sammle der Erkanstater einen kühlen Kopf bewahrt. Er kam zu spät, um einschreiten zu können. Er ist den Entführern gefolgt, hat gesehen, wo sie hin sind, und ist zurückgeeilt, um Ranaj zu alarmieren.«
»Gut gemacht.«
Der Hügel der Lauernden Schatten trug seinen Namen zu Recht. Die schräg einfallenden Strahlen Zim und Genodras, die man in Balintol Mabal und Matol nannte, erzeugten in den engen und gewundenen Straßen nichts als tiefe blutrote und jadegrüne Schatten. Die Gebäude schienen sich nach vorn zu neigen. Wir waren eine Gruppe bewaffneter und entschlossener Männer; niemand stellte sich uns in den Weg, obwohl das mich nicht überrascht hätte.
Der Eindruck, den diese unheilvollen Straßen vermittelten, vertrieb das Gefühl, daß es sich hier um nichts als eine Farce handelte. Natürlich war mir der Ernst der Situation durchaus bewußt gewesen, doch seit dem Zwischenfall mit dem jungen Taugenichts hatte ich mich nicht von dieser Empfindung freimachen können. Die Entführung des Prinzen hatte dieses unwirkliche
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