Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
wollte.
    Seine Exzellenz waren noch nicht zu sprechen, und so mußte man warten, der Kutscher unten auf der Straße auf seinem Bock und Röschen oben im Salon, denn der Diener hatte es nicht gewagt, ihr zuzumuten, im Vorzimmer zu bleiben.
    Als der Minister sich erhob, hörte er, daß ein Fräulein Sternau ihn um eine Unterredung ersuche, die so dringlich sei, daß sie es gewagt habe, ihn in so früher Stunde zu belästigen. Er kannte diesen Namen nur zu gut und beeilte sich in seiner Toilette so, daß er bereits nach zehn Minuten vor ihr stand.
    Der im Vorzimmer postierte Diener hörte die Dame viel und zusammenhängend sprechen, sie schien etwas zu erzählen. Dann folgte ein lebhaftes Zwiegespräch, und als Fräulein Sternau den Salon verließ, glänzte auf ihrem Gesicht die Freude eines errungenen Erfolges. Seine Exzellenz begleitete sie höchstselbst bis zum Wagen und gab, nach seinem Zimmer zurückkehrend, den Befehl, sofort den Leutnant Platen von den Gardehusaren zur Audienz zu beordern.
    Als Röschen nach Hause zurückkehrte, fand sie die ihrigen versammelt. Man hatte sich gewundert, daß sie ausgefahren war, und als sie fallen ließ, daß sie vom Kriegsminister komme, richtete man eine solche Menge von Fragen an sie, daß sie es endlich am geratensten hielt, alles zu erzählen.
    Unterdessen erschrak Platen nicht wenig, als er erfuhr, daß er zum Kriegsminister solle. Er befand sich auf dem Kasernenhof und eilte schleunigst nach seiner Wohnung, um die große Uniform anzulegen. Er war überzeugt, daß es sich nur allein um das Duell handle, aber woher hatte der Minister Kenntnis davon erhalten?
    Als er in das Vorzimmer trat, schien er von dem Diener bereits erwartet worden zu sein, denn dieser fragte:
    „Herr Leutnant von Platen?“
    „Ja.“
    „Exzellenz sind noch beschäftigt. Treten Sie einstweilen hier herein!“
    Er führte ihn an mehreren Türen vorüber nach einem Eingang, welchen er öffnete. Platen fuhr beinahe erschrocken zurück, denn er sah vor sich einen kleinen, höchst reich ausgestatteten Damensalon, in welchem die – Frau Minister saß, mit einem Buch in der Hand. Bei seinem Anblick erhob sie sich leicht, nickte ihm wohlwollend zu und sagte:
    „Treten Sie nur näher, Herr von Platen! Mein Mann hat noch eine Kleinigkeit zu ordnen, und so habe ich Sie zu mir führen lassen, um mich bei Ihnen unterdessen nach einem höchst interessanten Ereignis zu erkundigen, dessen Zeuge Sie gewesen sind, wie man mir berichtet hat.“
    Er nahm nach einem ehrfurchtsvollen Gruß auf dem Fauteuil Platz, welchen sie ihm bezeichnete, und wartete gespannt des weiteren. Eine Tür, welche in ein Nebenzimmer führte, war um eine kleine Spalte geöffnet und durch diese Spalte fiel ein Schatten herein, der nur von einem Menschen herrühren konnte. Diese Beobachtung ließ den Leutnant die ganze Situation begreifen. Der Minister hatte über das Duell Nachricht erhalten, er hatte Gründe, die Angelegenheit zunächst nicht auf dienstlichem Weg kennenzulernen, und so sollte Platen der Frau erzählen, während der Minister im Nebenzimmer Wort für Wort hörte und dann seine Entschließungen treffen konnte. Daß man gerade ihn, den Sekundanten Kurts, herbeigerufen hatte, ließ ihn vermuten, daß man besonders um des letzteren willen solche Rücksicht walten lasse.
    „Man sagt, Sie kennen den Leutnant Helmers von den Gardehusaren?“ begann die hohe Frau.
    „Ich habe die Ehre, sein Freund zu sein“, antwortete Platen.
    „So bin ich also richtig unterrichtet worden. Lassen Sie mich ohne Umschweife auf den Gegenstand eingehen. Dieser Leutnant hat sich heute früh geschlagen?“
    „Allerdings. Ich habe keinen Auftrag, die Tatsache in Abrede zu stellen.“
    „Mit wem?“
    „Mit seinem Obersten und dem Leutnant Ravenow von seiner Schwadron.“
    „Und der Ausgang dieser außerordentlichen Affäre?“
    „Helmers hat Ravenow die rechte Hand abgehauen und dem Herrn Oberst die rechte Hand vollständig zerschmettert. Beide sind dadurch unfähig geworden, länger zu dienen.“
    „Mein Gott, welch ein Unglück. Aber beiden die rechte Hand! Gewiß ein Zufall!“
    „Verzeihung, Exzellenz, es war nicht Zufall, sondern Absicht.“
    „Absicht? Schrecklich! Erzählen Sie! Aber ausführlich und objektiv!“
    Platen berichtete der Frau des Kriegsministers von der förmlichen Verschwörung, welche sich gegen Helmers Eintritt in das Regiment entsponnen hatte, von dem Empfang, welcher ihm bei allen Vorgesetzten geworden war, von der

Weitere Kostenlose Bücher