45 - Waldröschen 04 - Verschollen
geradezu empörenden Art und Weise, in welcher man ihn behandelt hatte, und von dem männlichen, besonnenen Benehmen des Angegriffenen. Er schilderte die Wahrheit, und zwar als Freund, so daß auf Helmers nicht der leiseste Schatten eines Vorwurfes fiel. Und so kam, daß, als er geendet hatte, die Dame im Ton des allerhöchsten Interesses ausrief:
„Ich danke Ihnen, Herr Leutnant! Ihr Freund ist ja ein ganz außerordentlicher Mensch. Nach dem, was ich von Ihnen höre, hat er das Zeug, sich eine glänzende Zukunft zu schaffen. Was aber beabsichtigt er zu tun, um den Folgen dieses unglücklichen Duells zu entgehen?“
„Zu entgehen?“ fragte Platen. „Exzellenz, Helmers ist nicht der Mann, den Konsequenzen eines Ereignisses, zumal wenn er dasselbe nicht verschuldet hat, zu entgehen. Ich bin überzeugt, daß er sich der kompetenten Behörde stellen wird.“
„Sie scheinen ihm Ihr ganzes Vertrauen zu widmen.“
„Exzellenz, es gibt Menschen, welche sich das Vertrauen im Sturm erobern und gar nicht imstande sind, es jemals zu täuschen. Helmers gehört zu ihnen.“
„Dennoch bleibt diese Angelegenheit höchst fatal. Man spricht nicht gern von ihr, und auch ich ersuche Sie dringend, nicht zu erwähnen, daß sie Gegenstand unseres Gespräches gewesen ist.“
Er bemerkte jetzt, daß der vorhin erwähnte Schatten verschwunden war und mit demselben jedenfalls auch der Minister. Die Dame machte ihm unter einem protegierenden Lächeln die Abschiedsverbeugung, und er empfahl sich ihr durch eine tiefe Verneigung. Kaum hatte er draußen die Tür zugedrückt, so bat ihn der Diener, in das Kabinett seiner Exzellenz einzutreten, welcher jetzt zu sprechen sei.
Er trat in das Arbeitskabinett des Ministers und fand diesen anscheinend in ein Aktenheft vertieft, welches vor ihm lag. Beim Erscheinen des Leutnants jedoch schlug er dieses Heft zusammen, erhob sich und nickte ihm mit mildem Lächeln zu. Nachdem er die elegante Erscheinung des junge Mannes mit prüfendem Blick überflogen hatte, begann er in freundlichem Ton:
„Ich habe Sie rufen lassen, um Ihnen einen etwas ungewöhnlichen Auftrag zu geben, Herr von Platen.“ Und nachdem er einige Augenblicke wie nach Worten gesucht hatte, fuhr er fort:
„Ich höre, Sie sind heute morgen bei einem kleinen Jagdunternehmen beteiligt gewesen, Leutnant?“
Platen wußte sofort, woran er war. Der Minister wollte das Renkontre als Jagdpartie gelten lassen, bei welcher zufälligerweise zwei Offiziere verwundet worden seien. Darum antwortete er mit einer leichten, zustimmenden Verneigung:
„Zu Befehl, Exzellenz!“
„Leider vernehme ich“, fuhr der Minister fort, „daß dieses Unternehmen nicht ganz glücklich abgelaufen ist. Zwei der betreffenden Herren scheinen nicht beachtet zu haben, daß man mit gefährlichen Waffen stets vorsichtig umzugehen hat. Sie sind verletzt worden?“
„Leider, Exzellenz.“
„Schwer?“
„Lebensgefährlich zwar nicht, unglücklicherweise aber doch so, daß nach dem Ausspruch des Arztes eine dauernde Dienstuntauglichkeit die Folge sein wird.“
„Das ist schwer zu beklagen. Ich habe mir sagen lassen, daß die Schuld diese beiden Herren ganz allein trifft. Ist die Angelegenheit bereits in weitere Kreise gedrungen?“
„Ich bin vom Gegenteil überzeugt, Exzellenz.“
„So wünsche ich, daß man bis auf weiteres das tiefste Schweigen beobachte. Sie begeben sich sofort zu den beteiligten Herren, um ihnen dies streng anzudeuten. Die beiden Verwundeten werden wohl kaum die Absicht haben, ihr Zimmer zu verlassen, es soll aber auch niemand ihren Zustand sehen, und darum befehle ich ihnen durch Sie, keinen Besuch anzunehmen. Die Herren haben sich ganz so zu verhalten, als ob sie mit Zimmerarrest belegt seien. Ich habe Konferenz mit der Majestät und werde diese Angelegenheit dabei zum Vortrag bringen. Punkt elf Uhr melden Sie sich dann bei mir, um das weitere zu vernehmen.“
Eine leichte Handbewegung deutete dem Leutnant an, daß er entlassen sei. Er ging, und zwar zunächst zum Obersten. Er nahm sich vor, weder mit diesem noch mit Ravenow in zu großer Milde zu verhandeln.
Er fand den Obersten im Bett liegend, umgeben von den Mitgliedern seiner Familie. Die Hausfrau trat ihm mit vor Zorn geröteten Angesicht entgegen und rief:
„Ah, Leutnant Platen, ich habe Ihnen zu sagen –“
„Bitte“, unterbrach er sie schnell, „so kurzweg Leutnant Platen werde ich nur von Kameraden genannt, und zwar auch nur von denen unter ihnen, welchen
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