45 - Waldröschen 04 - Verschollen
nämlich berichtet, was er von dem alten Haziendero erfahren hatte.
„Aber die Sendung des Haziendero haben Sie erhalten?“ fragte Amy.
„Welche Sendung?“
„Nun, sie war allerdings nicht an Sie, sondern an Herrn Leutnant Helmers gerichtet.“
Kurt horchte auf.
„An mich?“ fragte er. „Ich habe nichts erhalten.“
Jetzt kam die Reihe zu staunen an Amy und ihren Vater.
„Sie sind doch der Sohn des Steuermannes Helmers?“ fragte letzterer.
„Allerdings“, lautete die Antwort.
„Nun, ich habe, allerdings in Ihrer Abwesenheit, gestern das Erlebnis Ihres Oheims in der Höhle des Königsschatzes erzählt. Ihr Oheim hat von ‚Büffelstirn‘ einen Teil dieser Schätze erhalten, einen kleinen Teil, der aber doch ein großes Vermögen repräsentiert. Es ist bestimmt worden, daß die Hälfte davon nach der Heimat gesendet werde, um Ihnen die Mittel zu Ihrer Ausbildung zu bieten. Man wußte in Mexiko nicht, daß Sie hier so freundliche Gönner und Beschützer gefunden haben. Nach dem Verschwinden Sternaus kam der Haziendero Pedro Arbellez nach Mexiko und übergab die Wertsachen dem damaligen Oberrichter Benito Juarez, welcher sie nach Europa sandte.“
„Ich habe nicht das mindeste erhalten“, wiederholte Kurt. „Die Sendung ist entweder verloren gegangen, oder an eine falsche Adresse gerichtet worden.“
„Der Haziendero kannte Ihre Adresse gar nicht, er wußte nur, daß Sie auf einem Schloß in der Nähe von Mainz zu finden seien, daß Ihr Vater der Seemann Helmers sei, und daß dies Schloß von einem Hauptmann von Rodenstein bewohnt werde. Darum wurde die Sendung an ein Mainzer Bankhaus adressiert, dessen Chef Sie ausfindig machen sollte.“
„Er müßte mich gefunden haben. Die Sendung ist unterwegs verunglückt.“
„Der Oberrichter hat sie versichert.“
„So bliebe der Wert mir doch erhalten. Es gälte nur, zu erfahren, welches Bankhaus es gewesen ist.“
„Ich habe den Namen aus dem Mund des Haziendero gehört, ihn aber im Laufe der später folgenden Ereignisse aus dem Gedächtnis verloren. Doch wird eine Nachforschung zum Resultat führen. Ich wurde mit meiner Tochter vom ‚Panther des Südens‘ des Nachts gefangen genommen und nach dem südlichsten Teil von Mexiko transportiert. Dort waren wir gefangen, bis der Einfluß von Juarez sich so ausdehnte, daß er auch unsere Berge erreichte. Ich erhielt erst vor acht Monaten meine Freiheit wieder. Sie werden mir gewiß verzeihen, daß ich den einen Namen vergessen habe, der mich weniger interessieren konnte.“
„Oh, Mylord, es kann Sie ja nicht der geringste Vorwurf treffen. Ich bin Ihnen im Gegenteil herzlich dankbar, daß ich durch Sie von dieser Sache erfahre. Sie sprechen von Wertsachen. Geld also war es wohl nicht?“
„Nein. Obgleich ich die Gegenstände nicht gesehen habe, weiß ich doch, daß sie in Geschmeide und Kostbarkeiten bestanden, Ketten, Armbänder, Ringe, aus den Zeiten des alten Mexiko stammend und mit kostbaren Steinen besetzt.“
„Ah!“ machte Kurt nachdenklich.
Er hatte an der Hand seines Freundes Platen einen Ring gesehen, dessen Form ihm aufgefallen war. Der Reif trug eine eigentümlich gebildete goldene Sonne, deren Mittelpunkt aus einem erhabenen Mosaik von Smaragden und Rubinen bestand. Die Arbeit war eine echte, alt mexikanische gewesen.
„Sie haben einen Gedanken?“ fragte Amy.
„Ich glaube, irgendwo bei einem meiner Bekannten einen Ring gesehen zu haben, dessen Fassung mexikanisch zu sein schien“, antwortete er ausweichend. „Doch steht dies jedenfalls in keinem Zusammenhang mit unserer Angelegenheit. Ich würde also ein Vermögen besitzen, wenn ich mein Eigentum erhalten hätte. Dieser Gedanke hat etwas eigentümliches. Ich bin keineswegs geldgierig, aber ich werde dennoch in Mainz Nachforschungen anstellen. Ich bin dazu verpflichtet, schon um des Vaters und des Oheims willen, als deren Vermächtnis ich die Gegenstände betrachten muß.“
Während diese Angelegenheit im Verlauf des Gespräches weiter verfolgt wurde, gab sich Platen seinen dienstlichen Pflichten hin und fuhr zum Minister, bei welchem er sich melden ließ. Dieser empfing ihn freundlich. Er stand an einem Tisch, auf welchem mehrere versiegelte Schreiben lagen und sagte:
„Sie sind pünktlich, Herr Leutnant, das ist mir lieb, da ich weiß, daß die Herren Ihres Regiments sich jetzt zum zweiten Frühstück versammeln werden. Sie nehmen jedenfalls teil?“
„Ich bin es so gewöhnt, Exzellenz“, antwortete
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