45 - Waldröschen 04 - Verschollen
der Hauptträger derselben war jener Kapitän Parkert, den die Herren von der Garde so scharfsinnig waren, in ihr Kasino einzuladen – eine unsterbliche Blamage, wahrhaftig! Mich wollte man hinausmaßregeln! Ich jagte ihm seine geheimen Depeschen ab. Dies war das Verdienst, von welchem gesprochen wurde, und welches mir den roten Adler einbrachte, den ich tragen werde, bis er schwarz wird. Gestern abend, als du von mir gingst, war ich so glücklich, diesen Parkert mit deinem Oheim zu belauschen, welcher sich in diese Agitation eingelassen hat, weil man ihm versprach, daß er Finanzminister eines neuen Königreichs Westfalen werden solle.“
„Der Unglückliche!“
„Nicht unglücklich, sondern kurzsichtig und leichtgläubig. Ich bin gezwungen, diese Skripturen abzuliefern, aber ich werde mein Möglichstes tun, ihn zu retten.“
„Tue es, Kurt! Du verdienst dir einen Gotteslohn! Ich habe hart mit ihm zu kämpfen gehabt, aber er hat mir versprochen, daß er sich in Zukunft hüten werde. Nimm dein Eigentum und laß mir das Bewußtsein, daß ich dir für die Gnade danken darf, welche du an meinem Verwandten übst!“
Er ergriff das Kästchen, während Kurt die Dokumente nahm, und beide verließen das Gartenhaus, ohne den Bankier zu erblicken. Sie begaben sich nach Platens Zimmer, wo Kurt die eroberten Schriftstücke in ein Paket vereinigte. Noch war er damit beschäftigt, als der Kontordiener erschien.
„Herr von Platen, schnell, schnell, kommen Sie herab zu Herrn Wallner!“ rief er.
„Was will er?“ fragte Platen.
„Was er will? O nichts, gar nichts will er. Ich denke nur, er ist – er ist –“
„Nun, was ist er?“
„Er ist – krank geworden, sehr krank.“
„Was fehlt ihm? Holt den Arzt.“
„O, der Arzt kann ihm nicht mehr helfen.“
Da fuhr Platen auf, sah den Diener starr an und fragte:
„Nicht mehr helfen? Ah, was ist geschehen? Wo befindet sich der Oheim?“
„In seiner Kontorstube. Ich sollte ihm einen Herrn melden, und als ich eintrat, da lag er im Stuhl und – und –“
„Nun, und –“
„Und war tot.“
„Unmöglich! Wir haben ja soeben erst mit ihm gesprochen! Ich komme gleich hinab, sogleich!“
Er ging; Kurt blieb zurück. Nach einiger Zeit kam Platen wieder, ernsten, bleichen Angesichtes. Er schritt einige Male im Zimmer auf und ab und sagte dann:
„Du hast recht, lieber Kurt, kurzsichtig war er. Das beweist auch diese letzte Handlung. Er hat nicht gewußt, wo aus, noch ein. Oder hat er den Verlust des ungerechten Gutes nicht überleben mögen. Er ist in seinen Sünden hingegangen. Gott sei seiner armen Seele gnädig!“
Eine Viertelstunde später befand Kurt sich auf dem Heimweg. Sein Pferd trug nicht bloß ihn, sondern auch den Inhalt des hinter der Schwarzwälder Uhr befindlichen Loches. Er hatte ein Vermögen bei sich, mehr wert als dieses waren ihm die geheimen Depeschen, durch deren Überreichung er sich dankbar beweisen konnte für die Auszeichnungen, welche ihm zuteil geworden.
Er stieg natürlich zuerst bei seiner Mutter ab. Welche Augen machte die gute Frau, als er das Kästchen öffnete und sie die funkelnden Geschmeide erblickte. Bald aber stürzten Tränen aus ihren Augen. Sie umarmte ihren Sohn und rief aus:
„Das mag viel, sehr viel wert sein, tausendmal lieber aber wäre es mir, wenn dein Vater gekommen wäre. Tue mit diesen Dingen, was du willst, ich aber mag nichts davon sehen.“
Er übergab ihr das Paket mit den Schriften, von denen der Hauptmann nichts erfahren sollte, aber das Kästchen trug er zu ihm. Er erzählte ihm, welche Bewandtnis es mit demselben hatte, und zeigte ihm dann den Inhalt.
„Donnerwetter, nun wird mir der Junge stolz werden!“ brummte Rodenstein in den Bart. „Denn der Reichtum macht stolz und hart!“
„Mich nicht, lieber Pate“, versicherte Kurt lächelnd.
„Nun, meinetwegen! Aber was willst du mit den Dingen tun, he?“
„Ich? Hm! Ich weiß, was ich damit tun werde.“
„Nun, was denn?“
„Ich verschenke alles.“
„Kerl, bist du verrückt?“
„Nein, und dennoch werde ich alles verschenken.“
„An wen denn, he?“
„Röschen bekommt den ganzen Kram.“
„Röschen? Hm, dieser Gedanke ist nicht ganz so dumm und übel. Aber warum denn gerade sie?“
„Weil nur sie allein schön und gut genug ist, solche Schätze zu tragen!“
Bei diesen Worten leuchteten seine Augen in einem solchen Glanz, daß der alte Hauptmann, der sonst in solchen Dingen nicht sehr scharfsinnig zu nennen
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