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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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behielt der Bankier, durch den Kampf gewarnt, vollständig Zeit, die Papiere, von denen die Rede gewesen war, entweder zu vernichten, oder in ein anderes Versteck zu bringen. Aus diesen Gründen war es ratsam, ihn einstweilen laufen zu lassen.
    Der Bankier verschloß die Pforte wieder und begab sich nach dem Gartenhäuschen zurück. Dort blieb er längere Zeit, und Kurt nahm an, daß er die betreffenden Papiere hinter die Uhr verstecken werde.
    Endlich, es war bis gegen Mitternacht, trat Wallner aus dem Häuschen, verschloß es und verließ den Garten durch das Pförtchen. Jedenfalls wollte er nun so tun, als ob er vom Bahnhof komme. Kurt sprang über die Mauer und folgte ihm. Der Bankier ging durch einige Gassen und blieb dann vor einem Gasthof dritten Ranges stehen, dessen Fenster er sorgfältig musterte.
    Sollte hier Landola logiert haben? So fragte sich Kurt. Warum hat Wallner sonst die Fenster beobachtet! Übrigens war es gar nicht nötig, diesem letzteren länger zu folgen. Darum ließ Kurt ihn sich entfernen und trat dann in das Gastzimmer, wo noch Gäste vorhanden waren. Er ließ sich ein Glas Bier geben und fragte die Wirtin, welche den Trank brachte:
    „Haben Sie heute viele Gäste, Madame?“
    „Nein, nur zwei Frauen.“
    „Keine Herren?“
    „Bis vor einer Viertelstunde hatten wir einen; er entschloß sich aber ganz unerwartet, abzureisen.“
    „Mit der Bahn?“
    „Nein. Wir mußten ihm den Lohnkutscher Feller besorgen.“
    „Wohin?“
    „Nach Kreuznach.“
    Er ließ sich diesen Gast beschreiben und gelangte zu der Überzeugung, daß es allerdings Landola gewesen sei. Er bezahlte, trank sein Bier aus und begab sich sofort auf die Polizei, wo man ihn nach dem Grund seines Besuches fragte.
    „Ich bin Oberleutnant Helmers aus Rheinswalden“, sagte er. „Sie wissen, daß von Berlin aus ein Mensch verfolgt wird, welcher dort unter dem Namen eines amerikanischen Kapitäns Parkert wohnte?“
    „Allerdings. Wir erhielten den Steckbrief gestern“, antwortete der Beamte.
    „Er war heute hier.“
    „Ah, nicht möglich!“ klang es erstaunt.
    Kurt nannte den betreffenden Gasthof, erzählte, was er dort erfahren hatte, und beantragte eine sofortige Verfolgung des Flüchtlings. Der Beamte versprach, sein Möglichstes zu tun, und machte sich sogleich selbst auf den Weg nach dem Gasthof. So hatte Kurt seiner nächsten Pflicht Genüge geleistet und konnte nun auch die zweite erfüllen. Er begab sich nach dem Telegrafenamt. Der Telegrafist wurde geweckt und erstaunte nicht wenig, als er folgenden Wortlaut von Kurts Depesche las:
    „Herrn von Bismarck, Berlin.
    Russischen Pelzhändler Helbitoff an irgend einem Gasthof sofort arretieren. Geheimer Emissär. Papiere im Futter seines Hutes.
    Kurt Helmers.“
    „Und dieses Telegramm soll ich wirklich abschicken?“ fragte der Fernschreiber erstaunt.
    „Allerdings. Ich gebe es ja zu diesem Zweck auf.“
    „Aber, Herr, wer sind Sie, daß Sie einen so hohen Herrn des Nachts –“
    „Das geht Sie nichts an“, unterbrach ihn Kurt. „Ich mache Sie überhaupt auf die Pflicht der dienstlichen Verschwiegenheit aufmerksam. Sie wissen, welche Verantwortung auf Ihnen liegt.“
    Er bezahlte sein Telegramm und ging. Jetzt erst konnte er seinen Gasthof aufsuchen, um nach Hause zu reiten, während der Schlosser, reich belohnt und zur Verschwiegenheit ermahnt, seinen Weg zu Fuß zurücklegte. –
    Am anderen Vormittag befand Leutnant Platen sich im Kontor bei seinem Oheim. Sie sprachen über die Erbschaftsangelegenheit, welche den ersteren von Berlin herbeigeführt hatte, und der Bankier bemerkte dabei, daß sein Neffe heute ein ganz anderer als gewöhnlich sei. Da trat der Kontordiener herein und meldete:
    „Herr Wallner, ein Offizier wünscht Sie zu sprechen. Hier ist seine Karte.“
    „Jedenfalls wieder ein Darlehn“, meinte der Bankier zu Platen. „Diese Herren brauchen stets mehr als sie einnehmen.“
    „Gilt das auch mir?“ fragte der Leutnant.
    „Glücklicherweise nicht. Du bist allerdings auch so gut fundiert, daß du keines Vorschusses bedarfst. Hier handelt es sich jedenfalls um einen adeligen, sehr vornehmen und auch ebenso derangierten Herrn, der –“
    Er hielt mitten in der Rede inne. Er hatte die Karte aus der Hand des Dieners genommen und einen Blick auf dieselbe geworfen. Sein Gesicht nahm für einen Augenblick lang den Ausdruck des Nachsinnens an, dann jedoch flog ein rasches Rot über seine bleichen Züge. Er schien sich fassen zu müssen und

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