Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Scheusal Landola!“
    Er stand da im stinkenden Dunkel seines Kerkers und streckte die beiden Fäuste empor. In diesem Augenblick schrak er tief zusammen, denn gerade über ihm erscholl eine Stimme:
    „Landola? Ja, er sei verflucht, verflucht, verflucht in alle Ewigkeit!“
    Der Ton dieser Stimme klang so grimmig, so knirschend, daß es den Sklaven zu seinem Schreck noch grausig überlief.
    „Wer ist das?“ fragte er. „Wer bist du, der hier an diesem Ort spanisch redet, die Sprache meines Heimatlandes?“
    „Sage erst, wer du bist“, tönte es von oben herab; „du, der du die Mauer meines Gefängnisses zerbrochen hast!“
    „Ich bin ein Spanier aus Mexiko“, antwortete der Sklave.
    „Und wie ist dein Name?“
    „Ich bin Graf Ferdinande de Rodriganda.“
    „Santa Madonna!“ ertönte die Stimme. „Graf Ferdinande, der Bruder des Grafen Emanuel de Rodriganda?“
    „Ja. Kennst du ihn, o, kennst du ihn?“
    „Ob ich ihn kenne? Oder vielmehr, ob ich ihn gekannt habe, denn er ist ja längst tot!“
    „Tot? Nein, er lebt, er lebt; er kann nicht gestorben sein!“
    „Warum nicht? Ah, ich entsinne mich ja, daß auch Ihr gestorben sein sollt, und dennoch lebt Ihr noch. Sagt, Señor, ob Ihr mich nicht belügt. Sagt mir aufrichtig, ob Ihr wirklich Graf Ferdinande de Rodriganda seid!“
    „Ich schwöre es bei Himmel und Erde, bei Gott und allen Heiligen, daß ich es bin!“
    „Ah, das ist außerordentlich! Die Toten stehen wieder auf! Ich werde zu Euch hinabkommen, Don Ferdinande. Aber sagt mir vorher, wie es Euch gelungen ist, den Stein aus dieser Mauer zu reißen?“
    „Er fiel von selbst heraus, als ich emporkletterte, um den Ratten zu entfliehen.“
    „So habt auch Ihr dieses Ungeziefer bei Euch?“
    „Mein Loch war voll von ihnen, und mein Körper ist von ihren Zähnen zerrissen und zerbissen; aber ich habe sie mit dem Stein zermalmt.“
    „Mein Gefängnis wird ganz dem Eurigen gleichen. Ich befinde mich seit gestern hier und fand es voller Ratten. Aber ich fühlte in einer Steinritze ein Messer. Es muß von einem früheren Gefangenen stammen. Mit ihm habe ich das ganze Ungeziefer erlegt, bin aber ebenso verwundert und zerbissen wie Ihr, Señor. Die Mauer, welche uns trennt, ist aus großen Steinen gebildet. Ich hatte bereits versucht, ob sie zu durchbrechen sei, doch vergebens, bis ich vorhin den Fall einer der Steine bemerkte. Ich kroch empor an das Loch und hörte Eure Worte. Vielleicht gelingt es mir, mit Eurer Hilfe einen zweiten Stein zu entfernen, und dann wird die Öffnung groß genug sein, daß ich hinüber kann. Wollt Ihr mir helfen, Don Ferdinande?“
    „Gern. Ich komme gleich hinauf.“
    Er kroch an den beiden engen Wänden empor. Durch den bereits herabgefallenen Stein war eine Bresche in der Mauer entstanden, welche deren Dauerhaftigkeit sehr verminderte. Es gelang infolgedessen ihrer vereinten Anstrengung, einen zweiten Stein zum Weichen zu bringen, und nun war das Loch groß genug, um einen Menschen durchzulassen.
    „Steigt hinab, Señor! Ich komme hinüber“, sagte der andere.
    „Aber wenn man uns beieinander entdeckt!“ warnte der Graf.
    „Man wird uns nicht entdecken. Man hat uns verdammt, vor Hunger zu sterben oder von den Ratten gefressen zu werden; man wird uns allein lassen. Und sollte ja einer von uns beiden Besuch erhalten, so ist es dunkel genug, um unbemerkt die Öffnung passieren zu können. Wir haben miteinander zu sprechen. Wer aber soll das hier, zwischen den Mauern hängend, aushalten? Ich komme.“
    Der Graf kletterte hinab, und der andere folgte ihm, nachdem er durch das Loch gekrochen war. Das Gefängnis war so eng, daß sie beinahe Brust an Brust standen; aber dies belästigte sie nicht im mindesten, es war vielmehr dem Grafen eine Seligkeit, einem Menschen nahe zu sein, von welchem er erwarten konnte, in ihm einen Freund zu finden. Dieser faßte ihn bei beiden Händen und sagte:
    „Verzeiht, Don Ferdinande, daß ich Euch die Hand drücke! Aber ich fühle mich ganz selig, nach so langem Leiden einen Landsmann zu finden. Ich bin nämlich aus Manresa gebürtig.“
    „Aus Manresa? So nahe bei Rodriganda?“ fragte der Graf überrascht.
    „Ja. Ich bin nur ein gewöhnlicher Mann. Ich heiße Bernardo Mendosa und mein Vater war Barbier.“
    „Ah, ich besinne mich seiner. Er ist der Schwager des braven Juan Alimpo, des Kastellans meines Bruders.“
    „Ja, Juan Alimpo ist mein Oheim mütterlicherseits. Der andere Oheim, den ich habe, nämlich der Bruder meines

Weitere Kostenlose Bücher