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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hörte ich ihn murmeln:
    ‚Das sollst du mir büßen, du Halunke! Der Kerl weiß alles! Nun sollte uns noch dazu jemand belauscht haben!‘
    Es wurde mir bange. Ich zog mich in den tiefsten Winkel des Häuschens zurück, aber er trat ein, suchte und fand mich. Als er mich erkannte, fragte er grimmig:
    ‚Mensch, was tust du hier?‘
    ‚Ich schlief‘, antwortete ich.
    Jetzt, da er vor mir stand, war es mir nicht mehr bange, denn ich war stärker als er.
    ‚Hast du gehört, was gesprochen wurde?‘ fragte er.
    ‚Ja‘, antwortete ich.
    Ich hielt es für gut, ihn wissen zu lassen, daß ich ihm gefährlich werden könne.
    ‚Ah! Alles?‘ fragte er.
    ‚Alles!‘
    ‚Der Pfaffe war verrückt; er phantasierte. Aber trotzdem darf niemand erfahren, was er sagte. Kannst du schweigen?‘
    ‚Ja, Señor.‘
    ‚Nun gut; ich werde dich belohnen. Du bist bisher nur zur Aushilfe hier gewesen?‘
    ‚Allerdings.‘
    ‚Nun, von heute an bist du fest angestellt. Welches Gehalt du bekommst, wirst du morgen erfahren; aber wehe dir, wenn dir es einfallen sollte, zu plaudern!‘
    Damit ging er fort, und ich war zum zweiten Schloßgärtner avanciert. Ich hatte es sehr gut, aber ich bemerkte doch, das Cortejo mich mit großem Mißtrauen beobachtete; er schien mich zu fürchten. Der Pater Oheim war seit jener Nacht aus der Gegend verschwunden. Dennoch aber schien Cortejo erfahren zu haben, daß der Dominikaner mir nahestand, denn eines Tages, als er mich bei meiner Arbeit im Garten traf, fragte er mich:
    ‚Wie ist dein vollständiger Name?‘
    ‚Bernardo Mendosa‘, antwortete ich.
    ‚Aus Manresa?‘
    ‚Ja.‘
    ‚Heißt jener Pater Dominikaner, mit welchem ich an jenem Abend von dir am Borkenhäuschen belauscht wurde, ursprünglich nicht auch Mendosa?‘
    ‚Ja.‘
    ‚Er stammt aus Manresa?‘
    ‚Ja.‘
    ‚So seid Ihr wohl verwandt miteinander?‘
    ‚Er ist mein Onkel, der Bruder meines Vaters.‘
    ‚Ah! Ich habe ihn längere Zeit nicht gesehen. Weißt du nicht, wo er sich jetzt befindet?‘
    ‚Ich weiß gar nichts von ihm.‘
    ‚Ich hoffe, daß du die Wahrheit sagst‘, drohte er mit finsterer Miene. ‚Wenn du gelernt hast, zu schweigen, so sei alles vergeben und vergessen.‘
    Er ging fort, und ich schwieg; aber trotzdem war nichts vergeben und vergessen. Eines Tages ließ er mich zu sich kommen und gab mir den Auftrag, nach Barcelona zu gehen. Im dortigen Hafen lag ein Schiff, dessen Kapitän exotische Gewächse mitgebracht und zu verkaufen hatte. Ich sollte mir die Pflanzen ansehen und mir ein Preisverzeichnis geben lassen. Ich ging, aber ich bin niemals zurückgekehrt.“
    Der Erzähler schwieg eine Weile. Die Gedanken an die nun folgenden Ereignisse stürmten zu mächtig auf ihn ein. Endlich aber fuhr er fort:
    „Ich richtete meinen Auftrag bei dem Kapitän des Schiffes aus; ich kannte ihn damals noch nicht, es war Henrico Landola. Er hatte gar keine Pflanzen, dies gestand er mir unter schadenfrohem Lachen. Und als ich das Schiff verlassen wollte, wurde ich festgehalten, gebunden und in eine dunkle Koje geworfen. Erst nach längerer Zeit, als wir uns bereits auf hoher See befanden, durfte ich das Deck betreten, um frische Luft zu atmen. Und hierbei wurde mir bedeutet, daß ich Matrose sei und bei Todesstrafe zu gehorchen habe.“
    „Schändlich!“ sagte der Graf.
    „O, Don Ferdinande, das war noch lange nicht das Schändlichste! Aber bald bemerkte ich, daß dieser Landola ein Sklavenhändler und Seeräuber sei. Denkt Euch, ich sollte da mittun! Ich sollte die armen Schwarzen mit fangen und verkaufen helfen! Ich sollte andere Schiffe mit überfallen und ausrauben und mich an der Ermordung der Mannschaft beteiligen! Ich weigerte mich, da wurde ich wieder eingesperrt; ich mußte hungern und erhielt Schläge, die mir die Glieder zerfleischten. O, dieser Teufel, diese Landola! Könnte ich ihn mit glühenden Zangen peinigen, ich würde es sicher tun!“
    „Überlaß ihn Gott! Dieser ist gerecht und wird ihn richten. Erzähle weiter.“
    „Da ich mich trotz des Hungers, der Schläge und aller Schmerzen standhaft weigerte, an den Verbrechen der anderen teilzunehmen, so erklärte Landola, daß er mir die stärkste Strafe, welche es gäbe, bestimmt habe; ich sollte als Sklave verkauft werden. Wir segelten damals an der Ostküste Afrikas hinauf. Er ankerte vor Gerad und ging an das Land. Nach kurzer Zeit wurde ich abgeholt. Er hatte mich wirklich verkauft. Der Käufer war ein wilder Sklavenfänger, dem ich, mit Ketten

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