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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Vaters, ist Dominikaner. O, Herr, ich habe Euch vielleicht viel, sehr viel zu erzählen! Kennt Ihr diesen Dominikaner?“
    „Nein.“
    „So sagt mir zunächst, seit wann Ihr aus Mexiko fort seid.“
    „Seit langer, langer Zeit. Es ist mir unmöglich geworden, die Tage, Wochen und Monate zu zählen, aber ich glaube, daß ich ungefähr seit zwölf Jahren hier in der Gefangenschaft schmachte.“
    „Dios! So wißt Ihr noch gar nicht, daß Euer Herr Bruder, Don Emanuel gestorben ist.“
    „Nein. Sollte er aber wirklich gestorben sein? Wenn ich so über das, was mit mir geschehen ist, nachdenke, so scheint es mir, als ob es Leute gäbe, denen an seinem und meinem Verschwinden außerordentlich gelegen sei.“
    „Glaubt Ihr das, glaubt Ihr das wirklich?“ fragte Bernardo rasch. „Vielleicht habt Ihr recht. Aber was ist mit Euch geschehen?“
    „Das mag einstweilen auf sich beruhen“, sagte der Graf zurückhaltend. „Sage mir zunächst, was du von der Heimat und von den Meinigen weißt, und wie du hierher gekommen bist.“
    „Was Eure Familie betrifft, Señor, so weiß ich also, daß Don Emanuel gestorben ist, und daß Don Alfonzo das Erbe angetreten hat.“
    „Ah!“ rief der Graf.
    Er erinnerte sich an die letzten Szenen, welche er in Mexiko erlebt hatte. Er dachte an jenes Duell, dem Alfonzo so schändlich entflohen war, und welches infolgedessen er selbst hatte ausfechten müssen. Er dachte an alles, was ihm die brave Marie Hermoyes erzählt hatte; es war daraus hervorgegangen, daß Alfonzo nicht der echte Nachkomme der Grafen von Rodriganda sei. Er dachte ferner an die furchtbaren schrecklichen Stunden, in denen er erstarrt war und auf dem Totenbett gelegen hatte. Da hatte Alfonzo heuchlerische Tränen vergossen und eine außerordentliche Traurigkeit gezeigt. Aber das eine Auge des vermeintlichen Toten war nur halb geschlossen gewesen, und so hatte er deutlich gesehen, daß Alfonzo in den Augenblicken, an welchen er sich unbeobachtet bemerkte, statt der Zeichen des Leides eine höhnische Freude in seinem Gesicht getragen hatte. Er dachte endlich an den Moment, in welchem er von Kapitän Landola und dem verräterischen Cortejo in die Kajüte des ersteren geschafft worden war. Er hatte da in dem Korb gesteckt, aber trotzdem alles gehört, was diese beiden Menschen miteinander gesprochen hatten. Es war daraus hervorgegangen, daß Alfonzo mit im Komplott sein müsse.
    Es fuhr ihm dabei durch den Kopf der Gedanke an das zweite Testament, welches er im Beisein von Marie Hermoyes verfaßt hatte. Dasselbe war in dem mittelsten Kasten seines Schreibtisches versteckt worden. Hatte man es nicht gefunden? Er hatte ja Alfonzo enterbt, und nun war dieser dennoch jetzt Graf von Rodriganda! Das Testament war also entweder unterschlagen worden oder auf irgend eine Weise verloren gegangen.
    „Alfonzo?“ fragte er. „Er ist Graf? Wie regiert er seine Untertanen?“
    „O, wie ein echter, richtiger Tyrann. Er ist verhaßt im ganzen Land. Man fürchtet ihn und flüstert sich gar wunderbare Sache über ihn zu.“
    „Welche Sachen sind dies?“
    „Ich weiß nicht, ob ich davon reden darf“, antwortete Bernardo geheimnisvoll.
    „Ich bitte dich, mir alles aufrichtig zu sagen.“
    „Nun, in meiner gegenwärtigen Lage ist ja alles gleich, es kann mir nichts schaden, wenn ich offen spreche. Man sagt nämlich, daß Alfonzo kein Rodriganda sei.“
    „Ah!“ entfuhr es dem Grafen. „Woraus schließt man dies?“
    „Es scheint so in der Luft zu liegen. Außerdem aber habe ich ein Gespräch zwischen Gasparino Cortejo und meinem Oheim, dem Pater Dominikaner, belauscht. Dieses Lauschen ist auch schuld, daß ich mich hier befinde, man hat mich unschädlich gemacht.“
    „Erzähle, erzähle!“ drängte der alte Graf. „Was kann der Dominikaner wissen?“
    „Das sollt Ihr sogleich erfahren, Señor. Ich bin nämlich Gärtner und wurde zuweilen auf Schloß Rodriganda beschäftigt. Es gibt da ein kleines Borkenhäuschen, in welchem ich meine Werkzeuge aufzubewahren pflegte –“
    „Ich weiß das, ich kenne es sehr genau“, fiel Ferdinande ein.
    Er erinnerte sich an jenes Häuschen, welches der Leser ja auch bereits kennengelernt hat.
    „Eines Abends“, fuhr Bernardo fort, „war ich sehr ermüdet und wollte mich in dem Häuschen ein wenig ausruhen. Ich streckte mich also nieder, schlief aber ein. Als ich erwachte, wußte ich nicht, wie lange ich gelegen hatte. Eben als ich mich erheben wollte, hörte ich die Schritte zweier

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