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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hinaus.“
    Der Sultan sah, daß es Ernst war. Er hätte dieses Mädchen nicht wieder von sich gelassen, und wenn er gezwungen worden wäre, zehntausend zu bezahlen. Übrigens stand es ja ganz in seiner Hand, den Scheik später zu übervorteilen, wenn dieser seine Einkäufe machte. Darum zögerte er zunächst ein wenig, entschloß sich aber dann doch zu der Antwort:
    „Gut, ich behalte sie. Du sollst fünftausend Aschrafi haben, obgleich du mich übervorteilst. Nun aber verlaß mich und komme mir nicht gleich wieder vor die Augen.“
    Der Händler entfernte sich nach einer tiefen, beinahe höhnischen Verneigung, dann ergriff der Sultan die Sklavin bei der Hand und führte sie nach seinem Schlafzimmer. Dort öffnete er eine verriegelte Tür und trat mit ihr in einen Raum, welcher trotz seiner nicht ganz unbedeutenden Größe nur ein kleines, schmales Loch als Fenster hatte, durch welches eine sehr prächtige Helle hineindrang. Drei Seiten dieses Raumes waren mit Kästen und Binsenkörben besetzt, welche mit starken Stricken zugebunden waren, und von der Decke hing eine große, tönerne, mit Öl gefüllte Schale, aus welcher mehrere Dochte herausblickten. Dieser Raum war die Schatzkammer des Sultans. An den Wänden hingen köstliche Waffen und teure Kleidungsstücke. An der vierten Wand aber lag auf der Kante eines persischen Teppichs ein reiches Polsterwerk, ganz geeignet zum Ruhesitz einer solchen Schönheit, wie die Sklavin war.
    Er winkte ihr, sich darauf niederzulassen und sie tat es. Dann richtete er verschiedene Fragen in allen ihm bekannten Dialekten an sie, ohne eine andere Antwort als ein Kopfschütteln zu erhalten.
    „Sie versteht mich nicht“, sagte er zu sich selbst, „aber ich weiß ein Mittel, mich ihr verständlich zu machen. Sie ist eine Christin, und der Sklave, den ich gestern in das Loch sperren ließ, ist auch ein Christ. Er sagte, daß er ein Fürst gewesen sei, und so wird er alle Sprachen der Ungläubigen sprechen können. Er soll mein Dolmetscher sein. Ich aber will ihr sagen, daß sie sich nicht bei einem gewöhnlichen Härräri befindet, sondern bei dem Herrn des Landes.“
    Er entfernte die Stricke von all den Kästen und Körben. Sie folgte seinen Bewegungen mit den Augen und erblickte zu ihrem Erstaunen eine solche Menge von Gold und Silber, von Münzen und Geschmeide, daß sie erkennen mußte, sie sei beim reichsten Mann des Landes. Zwar befand sich in den Schätzen manch ein Gegenstand, der in Europa kaum einen Groschen wert gewesen wäre, aber in Härrär waren diese Dinge doch eine außerordentliche Seltenheit, und der oberflächliche Blick genügte, um zu erkennen, daß hier ein Reichtum von Millionen angehäuft worden sei.
    Er hatte die weiße Sklavin aus einem sehr triftigen Grund hierhergeführt. Einmal wollte er ihr gleich im ersten Augenblick mit seinen Reichtümern imponieren, und sodann war es seine Absicht, sie zu seiner Lieblingsfrau zu machen, darum tat er sie nicht zu seinen anderen Frauen, um alle Streitigkeiten und Eifersüchteleien zu vermeiden.
    Er ging und brachte ihr höchst eigenhändig zu essen und zu trinken, dann aber verließ er sie, nachdem er die Reichtümer wieder verwahrt hatte. Er beaufsichtigte seine Leute, welche beschäftigt waren, die angekauften Gegenstände unterzubringen. Dann befahl er dem neuen Henker, der zugleich das Amt eines Gefangenenwärters versah, den alten Christensklaven zu bringen.
    Don Ferdinande lehnte in seinem Kerker und dachte an die heute abend vorzunehmende Flucht. Seine gegenwärtige Lage war eine höchst unbequeme. Er konnte wegen Mangel an Raum sich nicht niederlegen, und zu setzen graute es ihm der Rattenkadaver wegen, welche den Boden bedeckten. Er mußte also stehen, und das ermüdete ihn.
    Er hatte die Unbequemlichkeit nur noch bis zum Abend auszuhalten, wie also mußte es einem Gefangenen zu Mute sein, der hier mitten unter Ungeziefer verdammt war, den grauenvollen Tod zu erwarten, ohne Hoffnung auf Trost, Erleichterung und Erlösung.
    Es mußte nach seiner Vermutung um die Mittagszeit sein, als er ein Geräusch über sich vernahm. Man rückte den Stein weg, welcher sein Loch verschloß. Dann fragte eine Stimme:
    „Bist du der alte Christensklave?“
    „Ich bin es“, antwortete er.
    „Der Sultan will mit dir sprechen. Haben dich die Ratten verschont, so daß du noch gehen kannst?“
    „Ich will es versuchen“, antwortete er vorsichtig.
    „So komm herauf! Ich werde dir die Leiter hinunterlassen.“
    Bei dem

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