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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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schweigend zugehört; nun aber wurde ihm die Zeit doch zu lang. Er sagte:
    „Vergiß nicht, daß ich auf eine Antwort warte! Was hat sie dir erzählt?“
    „Sie ist am Ufer der See spazieren gegangen und von Seeräubern ergriffen worden, welche sie gefangennahmen.“
    „Das waren Chinesen?“
    „Ja.“
    „Sie ist von ihnen auf Ceylon an den Emir verkauft worden?“
    „Ja.“
    „So hat mir dieser also doch die Wahrheit gesagt. Ist sie eine Frau oder ein Mädchen?“
    „Ein Mädchen.“
    „Bei einer Sklavin ist es eine Hauptfrage, ob sie noch unberührt ist. Ich hoffe, daß du so klug gewesen bist, dich danach zu erkundigen. Wie lautet ihre Antwort?“
    Es lag dem Grafen daran, den Sultan bei guter Laune zu halten, darum sagte er:
    „Sie hat noch nie einen Mann geliebt.“
    „Und ist auch noch nie geliebt worden?“
    „Nie. Es hat keiner gewagt, die Hand nach ihr auszustrecken, da ihr Vater ein so hoher und mächtiger Mann gewesen ist.“
    „Ich bin zufrieden. Hat sie ein Wort über mich gesagt?“
    Der Graf verneigte sich tief und antwortete:
    „Ich bin dein gehorsamer Sklave und denke stets zuerst an dich, o Sultan. Darum habe ich unternommen, ihre Augen auf dich zu lenken und sie zu fragen, was ihr Herz bei deinem Anblick spricht.“
    Das Gesicht des Herrschers nahm einen sehr wohlgefälligen und dabei auch gespannten Ausdruck an. Er strich mit der Hand über den Bart und fragte, sichtlich in sehr guter Stimmung:
    „Was hat sie dir darauf geantwortet?“
    „Sie sagte, du seiest der erste Mann, bei dem sie überhaupt die Stimme ihres Herzens vernommen habe.“
    „Warum?“
    „Weil dein Antlitz voll Hoheit ist und dein Auge voll Kraft. Dein Gang ist stolz, und die Würde deiner Gestalt ist erhaben wie die Größe eines Kalifen. So sagte sie.“
    „Ich bin mit dir sehr zufrieden, Sklave, und auch mit ihr. Du meinst also, daß ihr Herz mir gehören wird, ohne daß ich es ihr zu befehlen brauche?“
    „Der Mann soll sich nie die Liebe des Weibes mit Gewalt erzwingen. Er soll sein Auge voll Milde über sie leuchten lassen, dann sprießt die Liebe von selbst hervor wie die Pflanze, welche der Strahl der Sonne zum Leben weckt.“
    „Du hast recht! Ich werde dieser Sklavin meine ganze Gnade zeigen.“
    „Weißt du, o Herrscher, daß die Liebe erst in Worten spricht, ehe sie sich durch die Tat beweist? Diese Sklavin sehnt sich sehr, in deiner Sprache mit dir reden zu können, damit dir ihr eigener Mund sagen kann, was ihre Seele empfindet.“
    „Dieser Wunsch soll ihr erfüllt werden. Du wirst ihr Lehrer sein. Wie lange wird es dauern, ehe sie mit mir sprechen kann?“
    „Das kommt darauf an, wann der Unterricht beginnen soll, und wie lange er täglich dauern darf.“
    „Dieses Weib hat mein ganzes Herz gefangen genommen, ich kann es kaum erwarten, von ihren Lippen zu hören, daß sie sich mir hingeben will. Darum befehle ich dir, den Unterricht noch heute zu beginnen.“
    „Ich werde gehorchen, o Sultan.“
    „Sind drei Stunden des Tages genug, Sklave?“
    „Wenn ich täglich drei Stunden mit ihr sprechen kann, so wird sie bereits in einer Woche die Sprache der Härräri so weit verstehen, daß sie dir zu sagen vermag, daß du glücklich sein wirst. Aber die Töchter ihres Landes sind nicht gewöhnt, einen Mann unbekleidet zu sehen. Sie nimmt Anstoß an meinem Gewand.“
    „Du sollst ein anderes haben, ein viel besseres und auch nicht in das Gefängnis zurückzukehren brauchen. Auch sollst du Fleisch, Reis und Wasser erhalten, so viel du haben willst, damit dein Aussehen besser wird, als es in dieser Stunde ist.“
    „Ich danke dir! Wann soll heute der Unterricht beginnen?“
    „Sogleich nachdem du dich umgekleidet hast. Ich habe nicht Zeit, dabei zu sein. Ich werde dir einen Verschnittenen geben, der euch bewacht. Komm jetzt!“
    „Darf ich ihr vorher sagen, daß du ihre Bitte, deine Sprache zu erlernen, erfüllt hast?“
    „Sage es ihr.“
    Der Graf war froh, so viel erreicht zu haben, und wendete sich an Emma:
    „Ich muß jetzt leider fort, doch werden wir in kurzer Zeit uns alles erzählen können. Ich habe nämlich vom Sultan die Erlaubnis erlangt, dir Unterricht in seiner Sprache zu erteilen. Wir werden nachher drei Stunden lang hier zusammen sein. Bis dahin müssen wir unsere Wißbegierde zügeln. Vor allen Dingen aber will ich dich durch die Mitteilung beruhigen, daß Rettung möglich ist. Ich hatte die Absicht, heute abend von hier zu entfliehen. Vielleicht gelingt es, diesen Plan

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