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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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auf. Es war ein Sturm ausgebrochen. Ich dachte an die Vorräte, welche sich auf dem Floß befanden, und ich wollte sehen, ob das letztere auch fest genug am Land befestigt sei. Da Antonio am Tag viel gearbeitet hatte, so wollte ich ihn nicht wecken und ging allein zum Ufer. Da sah ich, daß das Floß von den empörten Wogen auf und nieder gerissen wurde. Das Tau, an welchem es hing, war nur aus Fellen geschnitten und zusammengedreht; es konnte leicht reißen, da Kaninchenleder nicht fest ist. Auf dem Floß lag ein ähnliches Tau. Sollte ich zurückkehren, um die anderen zu wecken? Unterdessen konnte das Floß verloren gehen. Ich sprang also auf das Floß, um das zweite Tau aufzunehmen und das letztere damit doppelt anzubinden. Aber kaum stand ich auf den Planken, so rollte eine haushohe Woge herbei, stürzte sich auf das Floß und riß es los. Im nächsten Augenblick flog es schon in die stürmische See hinaus und ich sank vor Schreck nieder und verlor das Bewußtsein.“
    Bei der letzten Schilderung war es dem Grafen so angst geworden, daß er sich schüttelte.
    „Weiter, weiter“, bat er.
    „Was zunächst geschah, weiß ich nicht; ebensowenig kann ich sagen, wie das Floß über den Klippenring hinweggekommen ist.“
    „Das ist leicht zu erklären. Die See ist so hoch gestiegen, daß die Klippen nicht mehr zu sehen gewesen sind; sie boten kein Hindernis mehr.“
    „Ich hörte wie im Traum die See um mich brüllen“, fuhr Emma fort, „ich hörte den Donner, und ich sah die Blitze, welche die Nacht durchzuckten. Als ich dann zur völligen Besinnung kam, schien die Sonne, der Regen hatte aufgehört, und die See begann sich zu beruhigen.“
    „Jetzt war es eine Lebensfrage, ob die Vorräte noch vorhanden waren.“
    „Sie waren noch da, alle; die Wogen hatten sie nicht hinweggespült. Wie das Floß diesem Orkan hat widerstehen können, das weiß ich nicht; aber meine Insel war verschwunden, und rund um mich war Wasser. Wo lag die Insel? Was sollte ich tun? O, ich weinte und betete stundenlang, bis es Nacht wurde. Ich weinte und betete diese Nacht und den kommenden Tag hindurch, aber das brachte mich nicht zur Insel zurück. Endlich sank ich vor Aufregung und Ermattung in einen tiefen Schlaf. Als ich aus demselben erwachte, hatte ich das Zeitmaß verloren, denn ich wußte nicht, wie lange ich so gelegen; aber nun dachte ich an das, woran ich erst hätten denken sollen.“
    „An das Steuerruder und das Segel, nicht wahr?“
    „Ja. Ich war jedenfalls nach Ost getrieben worden und mußte nach West segeln. Jetzt weiß ich, daß das Entgegengesetzte richtig gewesen wäre. Ich zog mit Anstrengung aller Kräfte das Segel auf. Ich verstand nichts von Schiffahrt, aber es gelang mir, dem Segel eine solche Richtung zu geben, daß das Floß nach West getrieben wurde. Des Tags stand ich am Steuer, und des Nachts band ich dasselbe fest. So vergingen fünfzehn Tage und Nächte. Soll ich sagen, was ich während dieser Zeit ausgestanden habe? Es ist unmöglich.“
    „Ich glaube es dir, meine arme Emma“, sagte der Graf. „Es ist zu verwundern, daß du nicht zu Grunde gegangen oder wahnsinnig geworden bist.“
    „Am sechzehnten Tag erblickte ich ein Schiff, und auch das Floß wurde gesehen. Es stieß ein Boot ab, und man nahm mich an Bord. Das Schiff war ein holländisches und nach Batavia bestimmt. Ich erfuhr von dem Kapitän, daß wir uns zwischen den Karolinen und Pelewinseln befänden! Er sagte, der Sturm müsse das Floß mit einer ungewöhnlichen Geschwindigkeit nach West getrieben haben. Ich hatte den Archipel passiert, ohne eine einzige seiner Inseln in Sicht zu bekommen. Der Kapitän ließ mir vom Schiffsschneider weibliche Kleider anfertigen und tröstete mich mit der Hoffnung, daß ich in Batavia sicher Hilfe finden werde. Als wir später die Sundastraße passierten, wurden wir von einem chinesischen Korsaren, deren es dort viele geben soll, angegriffen. Er siegte und tötete die ganze Bemannung, ich allein wurde verschont. Das übrige wißt Ihr ja, Don Ferdinande. Ich wurde nach Ceylon gebracht und dort verkauft. Der Emir verkaufte mich dann an diesen Sultan von Härrär. Die Zeit ist uns jetzt kurz zugemessen, darum habe ich mich auch kurz gefaßt. Später kann ich ja alles einmal ausführlicher erzählen.“
    Der Graf nickte.
    „Kind“, sagte er im weichen Ton, „es gibt einen gütigen Gott, der alles, was uns ein Unglück scheint, zum Besten zu lenken vermag. Wer weiß, ob es euch allen gelungen wäre, eine

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