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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Insel zu erreichen. Gott hat wohl gewußt, daß ihr zu Grunde gehen würdet. Darum sandte er den Sturm. Die Heilige Schrift sagte: ‚Er macht seine Engel zu Winden und seine Diener zu Feuerflammen.‘ Der Sturm hat dich nach West geführt. Es war Gottes Wille, daß du mich finden solltest, und daraus ziehe ich die freudige Überzeugung, daß er alles noch herrlich hinausführen wird.“
    „O, wenn sich diese Hoffnung doch erfüllen wollte! Ich sage Euch, Don Ferdinande, daß ich lieber sterbe, als mich von diesem Sultan umarmen lasse.“
    „Du sollst weder sterben, noch ihm gehören, mein Kind. Heute nacht fliehen wir.“
    „Wirklich?“ fragte sie im freudigsten Ton.
    „Ja. Denke dir, daß ich im hiesigen Gefängnis einen braven Mann gefunden habe, welcher in Rodriganda Gärtner gewesen ist. Dieser Schurke Landola hat auch ihn verkauft, weil er zu viel von Cortejos Kniffen wußte. Landola muß an einer förmlichen Manie, seine Anbefohlenen auszusetzen, leiden. Ich vermute, daß wir alle haben getötet werden sollen, daß Landola es aber vorgezogen hat, uns am Leben zu lassen, um später gebotenen falls eine Waffe gegen Cortejo zu besitzen. Also mit diesem Gärtner, welcher Bernardo Mendosa heißt, habe ich mich verabredet, nächste Nacht zu entfliehen. Gott hat dich gesandt, uns zu überzeugen, daß diese Flucht gelingen werde.“
    „Aber wie wollt Ihr es anfangen, zu entkommen, Señor?“
    „Das möchte ich dir wohl gern sagen, aber siehe, da zieht der Schwarze die Uhr bereits zum zweiten Mal heraus; unser Sand ist bald verronnen.“
    „Und ich habe noch ganz und gar nichts von Euren Schicksalen und Erlebnissen gehört.“
    „Ich wollte sie dir erzählen, aber dazu finden wir später Zeit. Es stehen uns noch einige Minuten zu Gebote, und diese müssen wir verwenden, die Worte zu wiederholen, welche du gelernt hast. Ich werde heute abend mit dem Gärtner bei dir eintreten, und du hast nichts zu tun, als die größte Geräuschlosigkeit zu beobachten. Sollte sich jedoch ein Hindernis einstellen, so komme ich morgen wieder, um den Unterricht fortzusetzen.“
    Er übte mit ihr die bereits genannten Redensarten ein, zu denen der Verschnittene beifällig mit dem Kopf nickte. Kaum aber war seine Stundenuhr zum dritten Mal abgelaufen, so erhob er sich gravitätisch und sagte in gebieterischem Ton: „Deine Zeit ist um. Folge mir!“
    Der Graf stand von seiner Decke auf und gehorchte ihm. Noch aber hatten sie die Tür nicht erreicht, so öffnete sich dieselbe, und der Sultan trat ein.
    „Allah, ihr seid pünktlich!“ sagte er wohlgefällig. Und sich zu dem Eunuchen wendend, fragte er: „Hast du alles gehört?“
    „Alles, o Herr“, antwortete der Gefragte in jenem hohen Fistelton, welcher kastrierten Männern eigentümlich ist.
    „Hat er Gutes gesprochen oder Schlechtes?“
    „Nur Gutes, sehr Gutes!“
    „Weißt du dies genau?“
    „Ganz genau, denn ich habe es gehört.“
    Da nickte der Sultan zufrieden, drehte sich zu dem Grafen hinüber und fragte: „Hat sie bereits etwas gelernt?“
    „Ja“, antwortete der Gefragte zuversichtlich.
    „Was? Kann ich es hören?“
    „Ja, wenn du es befiehlst. Ich habe sehr viel mit ihr von dir gesprochen. Frage sie einmal, für wen sie dich hält!“
    Da wendete sich der Sultan neugierig zu der Sklavin und fragte:
    „Sage mir einmal aufrichtig, für wen du mich hältst!“
    Der Graf nickte ihr zu, und so antwortete sie in härräischer Sprache mit der ersten Formel, die er ihr eingelernt hatte:
    „Du bist ein großer Fürst.“
    Der Sultan nickte mit einem außerordentlich freundlichen Lächeln und fragte weiter:
    „Kann sie noch mehr?“
    „Frage sie einmal, ob sie dich für liebenswürdig hält!“ meinte der Graf.
    „Glaubst du, daß ein Weib mich hassen oder mir widerstehen könnte?“ fragte der Herrscher.
    „Du bist die Wonne der Frauen“, klang es hinter dem Schleier hervor.
    „Frage sie auch, ob sie diese Wonne fühlt!“ fuhr der Mexikaner fort.
    „Bin ich auch deine Wonne?“ fragte der Sultan.
    „Dein Anblick labt meine Seele“, lautete die Antwort.
    Man sah es dem Sultan an, daß er ganz entzückt über diesen Erfolg des ersten Unterrichtes sei. Er klopfte, was bei ihm sonst niemals vorkam, dem Sklaven belobigend auf die Schulter, nickte ihm herablassend zu und sagte:
    „Du bist der beste Lehrer, den es geben kann! Diese Sklavin wird noch heute mein Weib, und du sollst belohnt werden, nicht als ob du ein Sklave seist, sondern wie ein

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