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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Schlafzimmer finster und kein Laut verriet, daß der Sultan vorhanden sei. Bei schärferer Beobachtung aber erblickten die beiden einen lichten Strich, welcher senkrecht herniederging.
    „Was ist das?“ flüsterte der Gärtner.
    „Ah“, antwortete der Graf ebenso leise, „er ist noch wach. Er ist bei der Sklavin, welche sich dort in der Schatzkammer befindet.“
    „Dort ist die Schatzkammer?“
    „Ja.“
    „Alle Teufel, das ist bequem!“
    „Ich war heute drei Stunden lang drin. Es wird alles sehr gut ablaufen. Komm näher.“
    Sie glitten zur Tür hin, welche eine schmale Lücke offenstand, durch diese drang der erwähnte Lichtschein heraus. Indem der Graf diese Lücke vorsichtig ein wenig erweiterte, konnten sie den Inhalt der Schatzkammer deutlich sehen.
    Auf dem Polster saß Emma, vollständig entschleiert, und in einiger Entfernung saß ihr der Sultan gegenüber, tief in ihren Anblick versunken. Man konnte es ihm nicht übelnehmen, daß er, nur die schwarzen oder kaffeebraunen Gesichter gewöhnt, sich so rasch und tief in die Mexikanerin verliebt hatte. Sie saß wirklich da wie das vom Himmel gestiegene Bild der Liebesgöttin, und der brave Bernardo fragte leise, den Grafen anstoßend:
    „Donnerwetter, ist das die Sklavin?“
    „Ja.“
    „Da habt Ihr recht. Die dürfen wir nicht hierlassen, die muß gerettet werden! Vorwärts, Señor!“
    „Der Sultan dreht uns den Rücken zu, und ich habe heute aufgemerkt und gesehen, daß die Tür ganz ohne Geräusch aufgeht. Es kommt also nur darauf an, daß Emma unser Nahen nicht verrät und er keine Zeit erhält, zu rufen oder sich zu verteidigen. Ich werde vorantreten und ihr ein Zeichen geben.“
    Er schob die Tür etwas weiter auf und trat leise ein. Emma erblickte ihn zwar, aber sie hatte ihn schon längst erwartet, sie blickte darum, ohne überrascht worden zu sein, von ihm ruhig hinweg und dem Sultan in das Gesicht.
    Jetzt galt es! Zwei rasche Schritte, und Graf Ferdinande hatte den Herrscher beim Hals. Sogleich stand auch Bernardo dabei, ballte einen Zipfel von dem Gewand des Überfallenen zusammen und steckte es ihm in den Mund. Der Graf hatte sich im Stall genügend mit Stricken versehen, so daß auch hier die Arbeit des Fesselns schnell vonstatten ging. Dann wurde der Geknebelte auf das Lager geworfen, von welchem sich die Mexikanerin schnell erhoben hatte.
    „Endlich!“ seufzte sie erleichtert auf. „Ich begann schon, die Hoffnung zu verlieren.“
    Der Graf antwortete ihr nicht, sondern er trat zunächst nach der Tür und zog sie so fest zu, daß kein Lichtschein mehr hinausfallen konnte. Sodann betrachtete er den Sultan. Dieser war nicht ohnmächtig geworden, sondern betrachtete die Szene mit einem Blick, in welchem sich die höchste Wut aussprach. Ferdinande de Rodriganda bog sich zu ihm nieder und sagte halblaut, so daß es draußen nicht zu hören war:
    „Da liegst du nun, du, der größte Herrscher, hilflos und gefangen! Jetzt sind wir drei Christensklaven mächtiger als du. Wir könnten dich töten, aber wir schenken dir das Leben. Wir geben uns die Freiheit und nehmen nur das von dir, was wir dazu brauchen, und was du erst anderen geraubt hast. Aber merke dir: Sobald du das geringste Geräusch verursachst, fährt dir dieses Messer in das Herz!“
    Jetzt erst wendete er sich zu Emma und sagte:
    „Ich pflege Wort zu halten, wenn es nur immer möglich ist. Du kannst doch nicht wie ein Mann auf dem Kamel sitzen.“
    „Nein, Don Ferdinande.“
    „Darum halte ich eine Sänfte für dich bereit. Aber dennoch wirst du Männerkleidung anlegen müssen, um unsere etwaigen Verfolger zu täuschen. Auch wir brauchen gute Anzüge, um für vornehme Reisende zu gelten. Hier ist Vorrat genug an der Wand. Ich werde auswählen.“
    Er tat dies. Dann zog er von einer Wand zur andern eine Schnur und hing einige arabische Mäntel daran, so daß eine Scheidenwand entstand, hinter welcher sich die Mexikanerin umkleiden konnte.
    Dies ging alles so schnell, daß nach kaum zehn Minuten die Kleider angelegt waren. Sie waren sehr reich und ganz geeignet, ihre Träger bei den Stämmen der Somali in Ansehen zu bringen.
    „Nun zunächst Waffen!“ sagte der Graf.
    „Ich weiß welche“, meinte Emma. „Der Sultan brachte vorhin zwei Revolver und zwei Doppelbüchsen und die nötige Munition. Er tat alles in den Kasten dort.“
    Der Kasten wurde geöffnet und die Waffen nebst den Patronen herausgenommen. Dazu legte der Graf noch mehrere kostbare Yatagans und drei Säbel

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