45 - Waldröschen 04 - Verschollen
Strecke zu gehen, ehe sie wieder an eine Tür kamen. Diese war an der rechten Mauer, der Gang aber führte weiter. Da nahm Sternau den Plan abermals vor und sah nach.
„Was sucht mein Bruder?“ fragte ‚Bärenherz‘.
„Ich suche den Ort, an dem sich die Gefangenen befinden. Jedenfalls sind sie in der Mitte der Pyramide, in der Nähe des Brunnens, denn dort sind sie am sichersten. Bis zum Brunnen haben wir noch fünf Türen. Diese hier muß aufgesprengt werden, denn dem Gang folgen wir nicht weiter.“
Wieder machten sich die anderen daran, Sprenglöcher zu bohren, und als Sternau mit Pulver zurückkehrte, wurden dieselben geladen. Man kehrte in genügende Entfernung zurück, und als die Knalle erfolgt waren, fand man dasselbe Ergebnis, wie vorhin. Auch hier sahen oben und unten die eisernen Zähne aus dem Gestein hervor, ohne daß man ihre Mechanik entdecken konnte. Der Mann, der diese Vorrichtung erfunden hatte, war ein kluger Mann gewesen.
Man drang nun nach Sternaus Anweisung weiter vor. Dieser hatte außer dem Pulver eine Hacke und einen eisernen Hebebaum mitgebracht. Bei der nächsten Tür wurden diese Instrumente versucht, aber sie erwiesen sich als nicht zulänglich. Es mußte wieder zur Hilfe des Pulvers geschritten werden. Diese Tür hatte von zwei Seiten schwere Riegel; man mußte mehr Pulver als bisher verwenden. Das gab einen fürchterlichen Knall, so daß der ganze Bau zu beben schien. Als man zu der gesprengten Tür kam, war so viel Mauer und Decke mit fortgerissen, daß man nicht vorwärts konnte. Man mußte den Schutt forträumen. Dies gab eine bedeutende Arbeit, worüber mehrere Stunden vergingen. Die Decke mußte gestützt werden, und es fehlte an Material dazu.
Noch während man damit beschäftigt war, kam ein Bote und rief die Häuptlinge nach außen. Sie sagten sich, daß das Wohl und Weh, ja das Leben der Eingesperrten an einem einzigen Augenblick hänge, aber da draußen standen zweihundert Apachen, deren Schicksal ihnen anvertraut war. Sie mußten dem Ruf folgen.
Als sie vor der Pyramide anlangten, sahen sie, daß die Comanchen einen weiten Ring um dieselbe gezogen hatten. Sie waren eingeschlossen. Als sie die Feinde zählten, waren es nicht viel über hundert, aber alle hatten Pferde.
„Sie haben sich mit den Pferden, welche zur Hacienda Verdoja gehören, beritten gemacht“, sagte Sternau. „Die anderen streifen weiter, um Pferde zu finden. Sie beginnen den Kampf nicht eher, als bis sie alle Tiere besitzen. Wir sind also jetzt noch sicher und können an unser Werk zurückkehren.“
Es darf nicht Wunder nehmen, daß sich hundert Indianer auf einer einzigen Hacienda beritten machten; es gibt Hazienderos, welche viele tausend Stück halbwilder Pferde auf den freien Weiden haben. Gibt es doch in den ungarischen Pußten und Steppen Rußlands Pferdeherden von mehreren tausend Stück.
Während die Gefahr des Kampfes sich der Pyramide immer weiter näherte, saßen die vier Gefangenen im Inneren derselben und erwogen die Möglichkeit der Rettung untereinander. Sie hatten auf Sternau gerechnet, aber es waren nun bereits zwei Nächte vorüber, und das ist in solchen Verhältnissen eine Ewigkeit. Das Wasser war fast zu Ende, der Proviant reichte nur noch kurze Zeit, die Leichen Parderos und des Wärters verbreiteten bereits einen fast unerträglichen Gestank, und aus dem Brunnen erklang in regelmäßigen Zwischenräumen ein wahnsinniges Schmerzgebrüll oder ein markerschütternder Jammerschrei Verdojas. Es war, als ob ein wildes Tier am Spieß lebendig gebraten werde.
Karja, die Indianerin, war wortkarg, aber Emma konnte ihrer Angst nicht gebieten. Sie glaubte nicht mehr an die Möglichkeit einer Rettung. Sie hatten die Messer an der Tür versucht, sie aber als unzulänglich befunden. Rettung konnte nur von außen kommen, und wer sollte da der Retter sein? Das Innere der Pyramide war Geheimnis, und diejenigen, welche allein es kannten, lagen tot oder gelähmt in der Zelle und in der Tiefe des Brunnens.
Emma faltete die Hände und flehte:
„O, heilige Mutter Gottes, bitte für uns in dieser entsetzlichen Not! Laß uns nicht verschmachten und verderben in dieser Finsternis! Laß uns das Licht des Tages wiedersehen, und ich will deine Güte preisen, so lange ich lebe.“
Der Steuermann war still geworden, aber Mariano ergriff die Hand der Señorita und bat mit trostvoller Stimme:
„Verzagen Sie noch nicht! Ich kenne Gott, der allmächtig ist, und ich kenne Sternau, den man fast auch
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