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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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den Hals und küßte sie.
    „Herrgott, ich danke dir! Nie will ich deine Liebe vergessen, so wie du jetzt auch unserer nicht vergessen hast!“ jubelte sie.
    Jetzt verging eine längere Zeit, während welche sie lauschten. Sie saßen in dem Gang, in dessen Zellen Mariano und Helmers gesteckt hatten.
    „Wollen wir nicht an die vordere Tür gehen?“ fragte der Steuermann.
    „Ja, vielleicht hören wir da besser, was geschieht“, antwortete Mariano.
    Emma stützte sich auf den letzteren, so begaben sie sich nach der Tür, an der sie ihre Messer vergebens versucht hatten. Dort ließen sie sich auf den feuchten Boden nieder und lauschten. Sie hörten ein dumpfes Stoßen und Schieben, welches kein Ende nehmen wollte.
    „Wissen Sie, was das ist, Señorita?“ fragte Helmers.
    „Nein.“
    „Sie räumen den Schutt weg. Der letzte Schuß war stark und hat den Gang höchstwahrscheinlich sehr beschädigt.“
    „Ach, wenn es doch so wäre.“
    „Es ist so, Señorita. Ich bin still gewesen da hinten in dem Gang, denn ich dachte an mein Weib und an meine Lieben, die mir Gott erhalten möge, aber den Mut habe ich doch nicht verloren gehabt. Der Tod ist ein eigentümlicher Kauz; er wagt sich nicht an jedes Menschenkind heran.“
    „Aber horch, man hört jetzt nichts mehr.“
    „Sie ruhen wohl aus“, tröstete der brave Steuermann.
    Es war die Zeit, in welcher die Häuptlinge nach oben gerufen wurden, um die Umzingelung der Comanchen zu beobachten.
    Nun herrschte eine erwartungsvolle Stille unter den Eingeschlossenen, bis sich das Stoßen und Schieben wieder vernehmen ließ. Dann hörte man laute Schläge wie mit einem Beil oder einer Hacke gegen Holz, und dabei war es, als ob ferne Menschenstimmen erklängen. Da – da nahten Schritte, die laut und deutlich zu vernehmen waren.
    „Nun diese Tür“, sagte eine sonore Stimme. „Sie führt ganz sicher nach dem Brunnen. Wir haben noch Pulver genug.“
    Den Eingeschlossenen war es, als ob sie einen elektrischen Schlag erhielten; sie konnten vor Wonne nicht sprechen und hielten einander nur mit der Hand gefaßt.
    „Sternau!“ flüsterte endlich der Steuermann. „Ich wußte es! Und er weiß sogar, daß diese Tür nach dem Brunnen führt.“
    Sie lauschten. Ein suchendes Tasten ließ sich an der Tür vernehmen, dann sagte eine andere Stimme:
    „Das kostet wieder viel Pulver; es ist eine Tür mit Doppelriegel.“
    Da schnellte Emma empor und stieß einen Schrei des Entzückens aus:
    „Gott, mein Gott! Antonio, Antonio!“
    Einen Augenblick lang war es drüben still; der freudige Schreck lähmte die Zungen; dann aber rief ‚Donnerpfeil‘ herüber:
    „Emma, meine Emma, bist du es?“
    „Ja“, antwortete sie, „ich bin es, Geliebter!“
    „Gott sei tausend Dank! Bist du allein?“
    „Nein, wir sind da, alle vier.“
    Da rief eine Stimme, die man bisher noch nicht gehört hatte:
    „Alle vier, Karja, du auch?“
    Der Ton dieser Stimme rief die Röte des Entzückens auf die bleichen Wangen der Indianerin.
    „Ja“, rief sie; „Karja, deine Schwester, ist da!“
    „Uff! Uff!“ ließ sich darauf eine neue Stimme vernehmen.
    Die Wangen Karjas wurden bei dem Klang dieser Stimme wieder blaß. War dies vor Schreck oder vor Freude?
    „Wer sprach da?“ fragte der Steuermann leise.
    „Diese Stimme kenne ich“, antwortete Emma. „Es ist ‚Bärenherz‘, der Häuptling der Apachen. Die Helden sind alle beisammen: ‚Bärenherz‘, ‚Büffelstirn‘, ‚Donnerpfeil‘, aber wo ist Sternau? Ich höre ihn nicht mehr. Habe ich mich vorhin in jener Stimme getäuscht?“
    Diese Wechselreden und Ausrufungen folgten natürlich viel schneller aufeinander, als sie geschrieben oder gelesen werden können. Sie flogen herüber und hinüber, und es gab zwischen ihnen keine Pause, welche auch nur den zehnten Teil einer Sekunde lang gewesen wäre. Jetzt wieder fragte ‚Donnerpfeil‘:
    „Wie befindet Ihr euch, Emma?“
    „Gut! O, nun ist ja alles vergessen!“
    Da klopfte es, und endlich erklang Sternaus Stimme zum zweiten Mal:
    „Wie geht es denn meinem braven Steuermann? Er wird ja ganz vergessen über die andern, sogar von seinem Bruder!“
    „Danke sehr, Herr Doktor!“ rief Helmers hinüber. „Ich bin noch fest auf dem Kiel. Machen Sie nur das Fahrwasser frei, daß wir bald heraussegeln können.“
    „Soll gleich geschehen. Fragen und antworten können wir ja später; jetzt aber nur das eine: Ist Verdoja drüben? Und Pardero?“
    „Ja.“
    „Was tun sie? Sie scheinen doch

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