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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zu haben brauchst.“
    Er huschte mit dem Gärtner fort. Bei der Weichheit des Schuhwerkes, welches in jenen Gegenden getragen wird und welches sie dem Vorrat des Sultans entnommen hatten, wurde es ihnen nicht schwer, ihre Schritte unhörbar zu machen. Sie gelangten vor die Tür des Gefängnisses, ohne bemerkt zu werden. Die Wache, welche dort zu stehen hatte, lehnte an der anderen Ecke und schien sich tiefen Betrachtungen hingegeben zu haben.
    „Wir binden und knebeln ihn wie die anderen“, flüsterte der Graf.
    „Womit?“ fragte der Gärtner. „Habt Ihr noch Stricke?“
    „Nein; aber wir haben Messer, sein Gewand in Schnüre zu zerschneiden.“
    „Das werde ich tun, während Ihr ihn haltet.“
    „Gut! Also vorwärts!“
    Nach einigen raschen Schritten standen sie vor dem Mann, ehe er ein Wort sagen konnte, fühlte er seine Kehle zugeschnürt, und nach wenigen Augenblicken lag er gebunden am Boden, mit einem zusammengedrehten Fetzen seiner Kleider als Knebel in dem Mund. Dieser Wächter der Gefangenen war nur mit einem Stock bewaffnet gewesen.
    Die Eingangstür besaß kein Schloß, sondern zwei Riegel, welche der Graf zurückschob. Als sie öffneten, drang ihnen ein fürchterlicher Dunst entgegen. Die Gefangenen erwachten und ließen ihre Ketten klirren.
    „Bleibe vor der Tür und halte Wache, damit ich nicht überrascht werde!“ sagte er.
    Dann trat er ein und zog die Tür wieder hinter sich zu. Es herrschte jetzt die Stille der Erwartung in dem Raum. Man hatte jemand kommen hören; das konnte bei der Grausamkeit des Sultans für denjenigen, dem der Besuch galt, Leben oder Tod bringen.
    „Ist ein freier Somali hier?“ fragte der Graf.
    „Ja“, antworteten zwei Stimmen.
    „Also zwei?“
    „Ja“, antwortete es abermals doppelt.
    „Von welchem Stamm?“
    „Vom Stamm der Zareb.“
    „Ah, ihr seid von einem und demselben Stamm?“
    „Ja, wir sind Vater und Sohn“, antwortete jetzt nur der eine.
    „Gut, ihr habt mir jetzt zu folgen, ohne einen Laut auszustoßen. Je folgsamer ihr seid, desto besser ist es für euch. Der Gehorsam bringt euch die Freiheit.“
    Er zog den Schraubenschlüssel hervor, den er mitgebracht hatte, und trat zu dem einen, welcher zuletzt geantwortet hatte. Er löste ihn von der Kette, die ihn an der Mauer hielt, nahm ihm aber die Hand- und Fußschellen nicht ab.
    „Wo ist der andere?“ fragte er dann.
    Der Betreffende meldete sich, und trotzdem der Graf bei der hier herrschenden Dunkelheit nur nach dem Gefühl arbeiten konnte, war der Gefangene in kurzer Zeit von der Mauer los.
    „Nun kommt heraus!“
    Vor der Tür angekommen, mußten die beiden stehenbleiben, bis der Graf mit Hilfe seines Gefährten den überrumpelten Wächter in das Innere getragen und die Riegel wieder vorgeschoben hatte. Dann wurden sie ein Stück fortgeführt, damit die Gefangenen drin nichts von der Unterredung verstehen konnten, und nun erst fragte der Graf:
    „Redet so leise, daß nur wir beide euch hören können. Weshalb seid ihr gefangen?“
    „Wir waren friedliche Leute“, antwortete der, welcher der ältere zu sein schien, „aber der Sultan ließ uns aufgreifen, weil einer unseres Stammes ihm ein Pferd gestohlen hatte.“
    „Wie lange seid ihr bereits gefangen?“
    „Zwei Jahre.“
    „Das ist grausam. Wollt ihr wieder frei sein?“
    „Wir sehnen uns zu den Unsrigen zurück. Wer bist du, Herr, der du so geheimnisvoll kommst und fragst?“
    „Ihr seid freie Somali, und darum vertraue ich euch. Wir beide waren bisher Gefangene wie ihr, aber wir haben den Sultan überlistet und werden jetzt fliehen. Wir wollen auf dem schnellsten Weg nach dem Meer und brauchen einen Führer, welcher unser Abban sein will. An der Küste empfangen wir Silber und werden ihn bezahlen. Will einer von euch unser Führer und Beschützer sein, so werden wir ihn von seinen Fesseln befreien und mitnehmen. Antwortet schnell; ich habe keine Zeit.“
    „Herr, nimm uns beide mit!“ baten sie.
    „Gut! Wollt ihr mir schwören, mich vor den Eurigen und allen Feinden zu beschützen, mich und die bei mir sind?“
    „Wir schwören es!“
    „Bei Allah und dem Propheten?“
    „Bei Allah, dem Propheten und allen heiligen Kalifen! Aber hast du Kamele?“
    „Für euch noch nicht, aber draußen vor der Stadt sollt ihr welche haben.“
    „Unsere Kleider sind zerrissen; auch haben wir keine Waffen.“
    „Ich werde für alles sorgen. Kommt jetzt; aber seid vorsichtig, daß uns das Klirren eurer Ketten nicht in Gefahr bringt,

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