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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Gefragte.
    Diese Antwort hatte der Frager doch nicht erwartet, darum sagte er:
    „Allah ist groß! Also du hast es gewußt! Du bist ein unerschrockener und weiser Mann! Willst du dich nicht zum wahren Glauben bekennen und mit mir nach Härrär gehen, um mein Diener zu sein? Du wirst es zu den höchsten Würden bringen und kannst vielleicht sogar Wesir werden!“
    Wagner wiegte den Kopf hin und her und antwortete:
    „Ich werde dir das später sagen, jetzt kenne ich dich noch nicht, und du kennst mich nicht.“
    „Ich kenne dich! Du bist ein Mann, wie ich ihn brauche, ich aber bin Ahmed Ben Sultan Abubekr, der Herrscher von Härrär, das Licht der Fürsten und die Sonne der Sultane. Wer mir dient, der findet Lohn, als ob er Allah selber diente. Jetzt aber komm, ich werde dir den Gefangenen zeigen.“
    „Wie heißt er?“
    „Murad Hamsadi, aber der Name seines Vaters wird verlöschen, denn ich werde ihn und sein ganzes Geschlecht ausrotten, sobald ich ihn gefangen habe. Komm.“
    Er schritt voran und verließ das Zimmer. Wagner folgte ihm. Sie kamen über einen weiten Hof und traten dann in einen engeren, der kaum zwanzig Schuh ins Geviert maß. Die Mauern waren ungefähr vier Ellen hoch. Kein Mensch war vorhanden, wie Wagner dachte; nur ein alter Binsenkorb stand in der Mitte des Platzes.
    „Hier ist er“, sagte der Sultan.
    „Wo denn?“ fragte der Deutsche, sich vergebens in dem Hof umblickend.
    „Da, nimm den Korb hinweg.“
    Der Kapitän tat dies und erblickte nun zu seinem Entsetzen den Gefangenen. Man hatte eine tiefe Grube gemacht, ihn hineingestellt und dann die Grube in der Weise wieder zugefüllt, daß nur sein Kopf aus der Erde hervorsah. Trotzdem schien er sich noch bei Kraft und Besinnung zu befinden, denn seine Augen blickten mit einem unendlichen Haß auf den Sultan und dann mit einem Ausdruck zorniger Neugier auf den Deutschen.
    Dieser griff unbemerkt in die Tasche und zog das Papier hervor. Er sah ein, daß er es ihm nicht geben konnte, da es ja dem Gefangenen unmöglich war, seine Arme zu gebrauchen; aber vielleicht konnte ein Augenblick erübrigt werden, ihm die Schrift zu zeigen! Freilich war dies sehr schwer, da außer dem Sultan noch der Dolmetscher zugegen war. Dennoch beschloß Wagner, es zu versuchen. Er hielt das Papier in der hohlen Hand und klemmte den Daumen ein, um es zu entfalten. Es war so klein, daß es von der Hand vollständig bedeckt wurde.
    „Sieh dir den Hund genau an“, sagte der Sultan.
    „Willst du nicht versuchen, ob du ihn zum Sprechen bringst?“ fragte Wagner.
    „Nein, das ist jetzt unnütz. Du wirst seinen Vater und die anderen fangen, auch ohne daß er redet. Dann aber soll er seine Strafe empfangen.“
    „Kann er denn nicht aus der Erde heraus? Wenn er sich wendet, wird das Erdreich locker.“
    „Er kann nicht; er ist an einen Pfahl gebunden.“
    „Wirklich? Mir scheint, als ob er bereits gearbeitet habe.“
    Bei diesen Worten beugte sich Wagner vor dem aus der Erde ragenden Kopf nieder, tat, als ob er mit der Linken den Sand untersuche und hielt ihm mit der Rechten das Papier hin, so daß er es lesen konnte, wenn er das Lesen überhaupt verstand. Der Sultan bemerkte davon nichts und sagte:
    „Die Erde ist fest, sorge dich nicht!“
    „Aber wie kannst du ihn ohne Wächter lassen?“
    „Am Tag ist keine Wache nötig, des Nachts aber steht ein Krieger bei ihm und ein anderer hier an der Tür. Er kann unmöglich entkommen.“
    „So bin ich beruhigt, und wir können gehen.“
    Diese letzteren Worte sagte der Kapitän mit großer Befriedigung, denn er erkannte aus dem Blick des Eingegrabenen, daß dieser die Worte gelesen und verstanden habe. Er hatte seinen Zweck erreicht und dem armen Teufel einstweilen Trost und Hoffnung gegeben, die er beide so notwendig brauchte.
    In das Zimmer zurückgekehrt, fanden sie den Gouverneur, welcher ihnen meldete, daß die betreffenden Befehle bereits erteilt seien.
    „Ich werde mit auf das Schiff gehen“, sagte der Sultan.
    „Ich auch“, erklärte der Herrscher von Zeyla.
    Beide hatten natürlich die Absicht, sich das beste der Ladung auszusuchen, bevor andere kamen.
    „So beeilt euch, denn es ist sehr hohe Zeit“, sagte Wagner, indem er an seine Uhr blickte.
    Und kaum waren diese Worte gesprochen, so krachte ein Schuß, und über den drei Männern erscholl ein fürchterliches Gepolter und Geprassel.
    „Allah il Allah, was ist das?“ fragte der Sultan.
    „Man schießt bereits!“ rief der Gouverneur.
    „Warum?“

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