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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sie, ihn mit stolzem, entzücktem Auge betrachtend.
    „Bin ich wirklich einer, so sag, ob du mich lieb hast, Karja!“
    „Ich habe dich lieb“, flüsterte sie, erglühend.
    „Und ich dich auch. Du sollst das Weib des Apachen sein, sein einziges Weib, das schönste, stolzeste und glücklichste Weib unter den Roten. Du sollst nicht arbeiten wie andere Frauen, sondern du sollst es haben wie eine weiße Señora, deren Wunsch ist wie ein Befehl!“
    Er schlang die Arme um sie, drückte sie an sich und küßte sie, ganz unbekümmert darum, daß sie auf der Höhe der Pyramide standen und von allen Comanchen gesehen werden konnten. Da unten lauerte der Tod auf sie, und hier oben ruhten die Herzen warm aneinander. Da unten sprach man bereits das Todesurteil über sie, und da oben schlossen sie einen Bund für das Leben. Die Liebe kennt keinen Tod, denn sie selbst ist ja das Leben.
    So standen sie, eng umschlungen, sich selbst und alles andere vergessend, beleuchtet vom Abendrot, welches nach und nach im Westen verglimmte. Da drehten sie sich erschrocken um, denn eine bekannte Stimme hatte gefragt:
    „Wer von euch ist der Kranke, daß ihn der andere stützt?“
    ‚Büffelstirn‘ war es! Es war fast Zeit zum Aufbruch, darum hatte er die Schwester gesucht, er hatte allerdings nicht geahnt, sie in den Armen des Apachen zu finden.
    Dieser wurde für einen Augenblick verlegen, doch faßte er sich schnell und fragte mit fester Stimme:
    „Ist ‚Büffelstirn‘ noch mein Freund und Bruder?“
    „Er ist es“, antwortete der Gefragte ernst.
    „Zürnt er mir, daß ich ihm das Herz seiner Schwester raube?“
    „Er zürnt nicht, denn das Herz der Schwester kann mir keiner rauben. Im Herzen eines guten Weibes haben beide Platz, der Gatte und der Bruder.“
    „Erlaubst du mir, nach der Hacienda del Erina zu kommen und die Morgengabe zu bringen?“
    „Ich erlaube es!“
    „Worin soll sie bestehen?“
    „Bestimme es selbst! ‚Büffelstirn‘ verkauft seine Schwester nicht.“
    „Soll ich dir bringen hundert Skalps deiner Feinde?“
    „Nein; ich nehme mir diese Skalps selbst.“
    „Oder zehn Felle des grauen Bären?“
    „Nein; ich habe der Felle genug.“
    „So sage, was du von mir forderst!“
    Da wurde das Auge des Königs der Ciboleros feucht; er legte dem Apachen die Hand auf die Schulter und sagte:
    „Ich verlange von dir nicht Skalpe und Häute, nicht Gold und Silber, sondern ich verlange, daß Karja, die Tochter der Mixtekas, glücklich sei in deinem Haus. Du bist mein Freund und Bruder, aber wäre meine Schwester nicht glücklich bei dir, so würde ich mit meinem Tomahawk dir den Kopf spalten und dein Gehirn den Ameisen zur Speise geben. Geh nach deinem Weidegrund und sprich mit den Deinen, dann komme nach der Hacienda del Erina, und du sollst sie haben!“
    Er drehte sich um und schritt hinab. ‚Bärenherz‘ forderte von der Geliebten noch einen Kuß, dann folgte er ihm, hoch und stolz, wie ein Mann, der nie ein süßes Wort mit einem Weib gesprochen hat.
    So lange es noch hell war, durfte man den Lagerplatz nicht verlassen, sobald es aber dunkel war, sollte der Aufbruch beginnen.
    Vor allen Dingen galt es, Verdoja nichts wissen zu lassen. Er wurde aus der Höhle heraus und an einen Ort geschafft, von wo aus er nichts bemerken konnte. Seine Schreie hallten da wie die Rufe böser, gequälter Geister hinaus in die stille Nacht, und die Comanchen schüttelten die Köpfe über die fürchterlichen Laute, welche sie zu hören bekamen.
    Jetzt war der Weg frei, und die Apachen betraten die Gänge, ein jeder seine Waffen bei sich und das, was er nicht entbehren zu können glaubte. Als der letzte eingetreten war, wurde der Stein wieder vorgeschoben, und dann setzte sich der Zug in Bewegung, voran ‚Büffelstirn‘ und hintenan Sternau.
    Dieser letztere hatte Pulver mitgenommen. Als der Zug die Treppe passiert hatte, legte er eine Mine in den Gang und zündete die Schnur an. Dann folgte er den anderen. Sie passierten den unterirdischen Gang ohne Licht und gelangten glücklich an den Ausgang desselben, der sofort verschüttet wurde.
    Eben als sie damit fertig waren, vernahmen sie ein leises Rollen, wie von einem fernen Erdbeben, aber es war kein verräterischer Lichtblitz dabei zu sehen, so fest Sternau auch seine Augen auf die Ruinen richtete – die Mine war explodiert und hatte den Gang eingestürzt. Jetzt konnte niemand sagen, wie sie entkommen waren.
    Nun galt es vor allen Dingen, ungefähr hundertsiebzig Pferde

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