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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zu erkennen, welches einer Periode, einem Volk das Gepräge seines Geistes und Willens aufdrückt, aber dieser nicht geniale Mann besaß einen gesunden Verstand, eine eiserne Willenskraft und neben seiner Rechtlichkeit, Entschlossenheit, Nüchternheit und Vaterlandsliebe eine Menge anderer Eigenschaften, welche ihn befähigten, seinem Volk größere Dienste zu leisten, als wenn es nichts als bloß ein Genie gewesen wäre, welches wie eine Wetterfahne von den dortigen Verhältnissen herumgedreht und herumgerissen worden wäre.
    Er wurde in dem Ort San Pedro in der Sierra de Oaxaca geboren und hatte in seinen Jugendjahren gelernt, sich wacker mit den Hindernissen der Armut und nationalen Verachtung herumzuschlagen. Unter vielen, fast unüberwindlichen Beschwerden gelang es ihm, die Rechtswissenschaft zu studieren und am Kollegium von Oaxaca Lehrer dieser Wissenschaft zu werden. Das war für einen Indianer, für eine verachtete Rothaut, bereits sehr viel erreicht.
    Neben diesem Lehramt widmete er sich der Advokatur, und dieses sein Wirken brachte ihm weithin den Ruf eines streng ehrlichen und tadellos redlichen Mannes. Daher kam es, daß er zum Gouverneur des Staates Oaxaca gewählt wurde, und selbst seine Feinde müssen zugeben, daß niemals dieses Amt so selbstlos und kraftvoll verwaltet wurde, als von ihm. Er erwarb sich eine so bedeutende Achtung, daß ihm die alte, berühmte Kreolenfamilie Mazo ihre Tochter Margarita zur Frau gab, während sonst die stolzen Kreolen jede Vermischung mit Indianern streng vermeiden.
    Er zeichnete sich als Gouverneur aus durch Besserung der Rechtspflege, Hebung der Finanzen, Abstellung von Mißbräuchen und Schlendrian des Beamtentums, Förderung des Gewerbefleißes und Mehrung der Verkehrsmittel. Der Wohlstand und die Sicherheit der von ihm beherrschten Provinz erhob sich dadurch so schnell und hoch, daß er im ganzen Land berühmt wurde und so war es gar nicht zu verwundern, daß er bald zum Vorsitzenden des höchsten Nationalgerichtshofes erwählt wurde, und zwar infolge einer unmittelbaren Volkswahl, was eine um so größere Ehre für ihn ist.
    Sodann wurde er gar Justizminister, als welcher er den bösen Praktiken des Präsidenten Commonfort entschieden entgegentrat und als strenger Rechtsmann, umsichtiger Patriot und edler, redlicher Staatsdiener seinen bereits erworbenen Ruf befestigte und behauptete.
    Nach dem Fall dieses Präsidenten wurde Juarez Präsident. Hiermit erhielt der einst so verachtete Indianer nicht nur die höchste Würde des Staates, sondern er erbte mit derselben von seinen Vorgängern die ganze, unglückselige Korruption der Verhältnisse, an welcher er weder Teil noch Schuld hatte. Er erbte ebenso die fürchterliche Last des Krieges mit den Armeen und Flotten Frankreichs, die tiefen Zerwürfnisse mit Spanien und England, die schiefe Stellung mit den Vereinigten Staaten, den hartnäckigen Widerstand seiner inneren Feinde und – den armen Maximilian von Österreich, welcher von Napoleons des Dritten Gnaden zum Kaiser von Mexiko ausgerufen wurde.
    Diese Aufgabe war eine ungeheure. Hat er sie gelöst? Welche Frage! Konnte sie von einem einzigen, konnte sie in einem Menschenalter, in der kurzen Zeit einer Präsidentschaft gelöst werden? Er erkannte, daß ein Kaiser von Napoleons Gnaden in Mexiko unmöglich sei. Er widmete dem guten Max seine persönliche Sympathie und Teilnahme, aber er war ein echter Mann des Prinzips, ist auf seiner Überzeugung stehen geblieben und hat für sie gekämpft, ohne sich von dem Franzmann blenden zu lassen, mutig und ausdauernd und doch in persönlichen Angelegenheiten eine ruhige, sichere Würde, ein feines Gefühl und eine gewinnende Sanftmut und Milde zeigend. Einer unserer neueren bedeutendsten Geschichtsschreiber fällt das Urteil über ihn:
    „Alles in allem: Benito Juarez ist die bedeutendste geschichtliche Gestalt, welche innerhalb des Krieges der europäischen Zivilisation bisher aus der indianischen Rasse hervorgegangen ist.“
    Während Juarez noch Kriegsminister war und bereits vorher, saß Commonfort auf dem Präsidentenstuhl. Dieser war früher Zöllner in Acapulco gewesen und erhielt einen Gegenpräsidenten, welcher Miramon hieß und jene traurigen Eingriffe in das Eigentum fremder Staatsangehörigen begann, was schließlich das englisch-französisch-spanische Einschreiten veranlaßte. Man plünderte sogar das Hotel des englischen Gesandten, und die Ansprüche der also Geschädigten beliefen sich zuletzt auf die

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