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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sind, aber sie machen den Richter leicht irre und parteiisch. Er braucht vor allen Dingen eine wahrheitsgetreue Darstellung der Sache. Darum sollt Ihr rauchen, denn dann werden Eure Tränen den Eindruck Eurer Erzählung nicht stören und benachteiligen können. Hier, nehmt Feuer und beginnt dann Euren Bericht!“
    So sah Arbellez sich gezwungen, zu rauchen. Er erzählte. Er begann von vorn, von seinen Jugenderfahrungen, von den späteren Erlebnissen; er schilderte die Personen, wie er sie gefunden hatte, er teilte seine Vermutungen mit, und – wunderbar, es war keine einzige Träne geflossen, als er geendet hatte.
    Der große Indianer hatte ihm ruhig, beinahe wortlos zugehört; jetzt erhob er sich aus der Hängematte und schritt im Raum auf und ab, um zu rekapitulieren. Er dachte lange nach, er verglich und folgerte, dann blieb er vor dem alten Haziendero stehen und sagte:
    „Señor Arbellez, wenn Ihr es nicht wäret, der mir diese Geschichte erzählt, so würde ich sie nicht glauben, da ich Euch aber für einen nüchternen, wahrheitsliebenden Mann halte, so glaube ich Euch jedes Wort und verspreche Euch meine ganze Hilfe. Wo dieselbe anzufassen ist, weiß ich freilich selbst noch nicht. Ich habe mir vorher vieles zurechtzulegen, ich muß verschiedene und sehr genaue Erkundigungen einziehen, bin ich damit aber zu Ende, so soll auch, das verspreche ich Euch, Schlag auf Schlag kommen, bis dieses ganze schändliche Komplott aufgedeckt und bestraft worden ist. Bleibt Ihr für einige Zeit hier?“
    „Ja, bei Sir Lindsay.“
    „Ah, bei dem! Warum gerade bei ihm?“
    „Weil ich auch ihm das alles erzählen muß, und weil er mir eine Bitte erfüllen soll.“
    „Darf ich erfahren, welche dies sein soll?“
    „Gewiß, Señor, ich habe erwähnt, daß ‚Donnerpfeil‘ ein Geschenk aus der Höhle des Königsschatzes erhalten hat. Sein Bruder besitzt drüben in Deutschland, seiner Heimat, einen hochbegabten Knaben, welcher aber arm ist. ‚Donnerpfeil‘, der Bräutigam meiner Tochter, hat nun vor einem Jahr, das heißt, seit er verschwunden ist, beschlossen, daß dieser Knabe die Hälfte dieses Geschenkes erhalten soll. Es konnte ihm nicht geschickt werden, und so geht gerade die Zeit verloren, in welcher dieser Reichtum dem Knaben den meisten Nutzen bringen wird. Darum habe ich die Kostbarkeiten aufgeladen und mitgebracht. Ich werde sie dem Lord bringen, der sie nach Deutschland senden mag.“
    „Wo wohnt der Knabe?“
    „Bei Mainz auf einem Schloß, dessen Namen ich vergessen habe. Doch ist es leicht zu finden, denn es gehört einem Hauptmann und Oberförster von Rodenstein. Diesen Namen habe ich behalten.“
    „So überlaßt diese Sendung lieber mir als dem Engländer. Ginge sie von ihm aus, so würde sie von unseren Bravos (Räubern) nicht respektiert. Kommt sie aber aus meiner Hand, so will ich den Mexikaner sehen, der sich an ihr vergreift. Ich werde das sicherste wählen und sie an ein Bankhaus in Mainz adressieren. Der Bankier wird den Knaben ausfindig machen.“
    „O, wie bin ich Euch dankbar, denn Ihr nehmt mir da eine große Last vom Herzen!“
    „Wie heißt der Knabe?“
    „Kurt Helmers. Sein Vater ist Steuermann.“
    „Ich werde mir das notieren. Übrigens ersuche ich Euch, lieber bei mir als bei dem Engländer zu wohnen, so lange Ihr in Mexiko bleibt. Es ist möglich, daß ich Euch in Eurer Angelegenheit öfters zu sprechen habe, und da ist es bei mir bequemer. Ich werde Euch ein gutes Zimmer anweisen lassen, und Sir Lindsay wird es uns nicht übel nehmen, Ihr könnt ihn ja immerhin besuchen. Bringt einmal den Schatz herein! Und da es nun in einem geht, könnt Ihr auch gleich den Pachtzins mitbringen.“
    Der Haziendero entfernte sich und brachte bald mit Hilfe eines seiner Vaqueros die Maultierlast herein. Sie enthielt zwei Pakete, beide in ungegerbtes Büffelleder eingeschnürt. Die eine Hälfte enthielt den Pachtbetrag in Goldstücken, den der Oberrichter quittierte. Als die andere Hälfte geöffnet worden war, wurden von dem Inhalt die durch das Fenster einfallenden Sonnenstrahlen aufgefangen und in tausend funkelnden Reflexen durch das Zimmer geworfen. Benito Juarez stieß einen Ruf der Bewunderung aus.
    „Dios! Welche Pracht und Herrlichkeit!“ rief er. „Welche Kostbarkeiten! Welch ein Reichtum! Welch einen Wert repräsentiert dieses seltene Geschmeide! So etwas habe ich noch gar nicht gesehen!“ Und mit finsterer Miene fügte er hinzu: „Dieser Schatz in der Höhle der Könige könnte

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