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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ungeheure Summe von beinahe fünfhundert Millionen Mark.
    Dieser Miramon war Freund mit dem früheren Präsidenten Juan Alvarez, auch ein Indianer, welcher seiner außerordentlichen Grausamkeit wegen der ‚Panther des Südens‘ genannt wurde. Diesen beiden werden wir leider sehr bald begegnen. –
    Seit dem Tag, an welchem Sternau mit Mariano und Helmers Mexiko verlassen hatte, war nun ein Jahr vergangen. Da kam von Norden her ein Reiter in die Stadt. Er war bestaubt, und alle Anzeichen verrieten, daß er einen langen und beschwerlichen Ritt zurückgelegt habe. Hinter ihm trabten mehrere Vaqueros; sie waren, ebenso wie er, gut bewaffnet, doch bedeutend jünger als er und führten ein kräftiges Maultier bei sich, welches eine sorgfältig verpackte Last trug, welche zwar nicht groß war, aber sehr schwer zu sein schien.
    Der alte Mann ritt durch mehrere Straßen und hielt vor dem Palast des Obertribunals. Dort stieg er vom Pferd und fragte den Türsteher, ob seine Gnaden, Señor Benito Juarez, zu sprechen sei. Der Türsteher betrachtete den Alten mit einem geringschätzigen Blick und sagte:
    „Für Euch jedenfalls nicht.“
    „Warum nicht?“
    „Hat er befohlen, heute zu ihm zu kommen?“
    „Nein.“
    „So wartet. Ohne Anmeldung empfängt er nur Freunde bei sich.“
    „So melde mich an. Übrigens darf ich mich sehr wohl zu seinen Freunden zählen.“
    Die sichere Antwort des Greises machte Eindruck auf den Diener. Er fragte: „Welchen Namen tragt Ihr, Señor?“
    „Ich heiße Pedro Arbellez und bin Besitzer der Hacienda del Erina.“
    „O, das ist etwas anderes, Señor! Ihr seid weit geritten, und Euer Aussehen machte mich irre! Man hat zu sorgen, daß der Herr nicht zu sehr überlaufen wird. Alle Welt will zu ihm, weil es bei einem anderen keine Gerechtigkeit gibt. Tretet ein und laßt Eure Diener in den Hof reiten!“
    Die Vaqueros begaben sich mit ihren Pferden nach dem Innenhof des Hauses, und Arbellez wurde von einem Domestiken nach einem geräumigen Zimmer geführt. Es hatte trotz seiner Größe nur ein Fenster, zwei Hängematten und einen Tisch. Auf dem Tisch stand ein Schreibzeug neben einem Stoß Papier. In der einen Hängematte saß ein Mann, welcher eine Zigarette rauchte und in der anderen saß ein zweiter, der auch eine Zigarette rauchte. Der erste war Benito Juarez, der oberste Richter des Landes. Er erhob sich beim Eintritt des Gastes ein wenig und sagte:
    „Ah, Señor Arbellez! Euch habe ich seit einem Jahr nicht gesehen, wißt Ihr, seit ich Euch die Hacienda Vandaqua in Pacht gab. Was bringt Ihr mir?“
    „Eben den Pachtzins bringe ich, Señor“, antwortete der Gefragte. „Und außerdem möchte ich Euch eine große Bitte vorlegen.“
    „Privat?“
    „Nein. Ich komme zu Euch als zum Richter.“
    „So sollt Ihr gehört werden; vorher aber muß ich die Angelegenheit dieses Señores erledigen, da sie keinen Aufschub erleidet. Legt das Schreibzeug zu Boden und setzt Euch auf den Tisch. Ich habe keinen anderen Platz!“
    Arbellez hielt es für unmöglich, sich auf den Tisch zu setzen, aber Juarez machte eine so kurze und gebieterische Handbewegung, daß er gehorchte. Nun wendete sich der Oberrichter an den anderen, der ein mittel bejahrter Mann war, ein dicht behaartes Gesicht und dunkle, stechende Augen hatte:
    „Also, Señor, ich habe Euch aus dem Gefängnis rufen lassen, um Eure Sache schnell zu erledigen. Es ist sehr unhöflich, jemand warten zu lassen, und ich bin nicht gern unhöflich. Brennt Eure Zigarette noch?“
    „Ja, Señor.“
    „Schön!“ fuhr Juarez im Ton der heiteren Konversation fort. „Wie lange hält man Euch bereits gefangen?“
    „Volle drei Wochen, Señor.“
    „Ah, das ist unartig, ich muß es gestehen. Ich werde diese Unterrichter bitten, zuvorkommender zu sein. Euer Urteil ist noch gar nicht gefällt?“
    „Leider noch nicht. Ich hoffe, daß ich mit demselben zufrieden sein werde!“
    „Ich bin überzeugt davon“, sagte Juarez freundlich. „Ich werde keinem Unrecht tun, weder Euch noch Eurem Gegner. Also es handelt sich um einen kleinen Schuß?“
    „Allerdings.“
    „Traf dieser Schuß?“
    „Die Dame gerade in den Kopf. Ich hatte gut gezielt.“
    „Ah, so seid Ihr also ein sehr sicherer Schütze! Das freut mich, denn gute Schützen sind in dieser bösen Zeit sehr gut zu gebrauchen. Warum aber habt Ihr auf die Dame geschossen?“
    „Weil sie mir sagte, daß sie einen anderen heiraten werde. Ich bat sie höflich, sich zu besinnen, aber sie blieb

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