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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Mädchen?“
    „Jedes. Punktum!“
    „Nun wohl! Ich setze meinen Fuchs gegen deinen Araber –“
    „Donnerwetter!“ rief da Ravenow. „Das ist verteufelt ungleich, aber ich darf nicht zurück. Angenommen also. Welches Mädchen?“
    Ein zynisches Lächeln breitete sich um die Lippen Golzens; er antwortete:
    „Ein Mädchen von der Straße; diejenige, welche ich dir unter den jetzt vorübergehenden bezeichne.“
    Ein lautes Gelächter erscholl im Kreis, und einer der Anwesenden meinte:
    „Bravo! Golzen will seinen Fuchs opfern, damit Ravenow sich den großen Ruhm erwirbt, irgend eine Nähmamsell oder eine zweifelhafte Ladennymphe erobert zu haben. Das ist göttlich!“
    „Halt, ich lege mein Veto ein!“ meinte Ravenow. „Ich habe zwar gesagt, jedes Mädchen, aber man wird mir wenigstens die Beschränkung erlauben, daß es keine Dirne zu sein braucht; das ist man meiner Ehre schuldig. Muß es partout eine von den Passantinnen sein, so dinge ich mir aus, daß nur unter denen gewählt werde, welche vorüberfahren, nicht aber gehen.“
    „Angenommen!“ stimmte Golzen bei. „Ich mache dir sogar die Konzession, daß ich nicht einmal die Inhaberin einer Droschke bezeichnen werde.“
    „Ich danke dir“, nickte Ravenow befriedigt. „Wieviel Zeit gibst du mir zur Eroberung der Feste?“
    „Fünf Tage von heute an.“
    „Einverstanden! Mag also der Tanz beginnen; Zeit habe ich!“
    Er erhob sich von seinem Platz und schnallte sich den Degen um. Man bemerkte es kaum, daß die Geister des Weines in ihm rumorten, und wer ihn so dastehen sah mit dem pfiffig selbstbewußten Ausdruck seines hübschen Gesichtes, der zweifelte nicht daran, daß es ihm nicht allzu schwer sein werde, seine Vorzüge zur Geltung zu bringen. Die Herren Offiziere sind von der Damenwelt zu sehr verwöhnt, als daß sie sich für überwindlich halten sollten.
    Von diesem Augenblick an herrschte eine Spannung in dem Zimmer.
    Die Herren standen an den Fenstern und beobachteten die Insassen der vorüberfahrenden Wagen. Welche der Damen, die vorüberrollten, würde Golzen wählen? Eine solche Wette war noch nie dagewesen. „Interessant! Famos! Unglaublich! Außerordentlich! Verwegen! Grandios! Pyramidal!“ Das waren die einzelnen Ausrufe, mit denen man der Spannung Luft zu machen suchte, bis ein kleiner Füsilierleutnant ein anderes Wort ausstieß.
    „Ah, herrlich! Eine wirkliche Schönheit!“ rief er, indem er näher an das Fenster trat.
    „Wer? Wo?“ ertönte die Frage.
    „Dort an der Ecke, die Equipage mit den Trakehnern“, antwortete er.
    „Ah, bei Gott, du hast recht!“ rief ein zweiter. „Wer mag das sein?“
    Die bezeichnete Equipage kam im Schritt herangerollt. Im Fond des Wagens saß neben einer ältlichen Dame ein junges Mädchen von einer soeben erst erblühten Schönheit, welche fast unbeschreiblich zu nennen war. Ihr Gesichtchen war von der zarten Röte der Jugend überhaucht, ihr dickes, federndes Haar fiel in zwei starken, langen Zöpfen auf den Sitz herab und wand sich von da an wie eine weiche, liebkosende Schlange über den Schoß hinüber und wieder herüber, ihre Züge waren so rein, so kindlich, so ahnungslos, und doch lag in ihren tiefen, dunklen Augen ein Licht, welches jeden annähernden Schritt versengend entgegendrohte. Soviel man von der Gestalt sehen konnte, hatte sie den Schritt vom Kind zur Jungfrau erst getan, aber diese trotz ihrer Zartheit so kräftigen Formen mußten zur Entfaltung einer königlichen Schönheit geeignet sein. Wenn diese Jungfrau sich vom Sitz erhob, so mußte sie sich ganz sicher in einer imponierenden Höhe präsentieren.
    „Herrlich! Unvergleichlich! Wer ist sie? Unbekannt! Eine Venus! Nein, eine Diana! Vielmehr eine Minerva!“
    So rief es rund im Kreis. Golzen, der Gardekürassier, drehte sich um, zeigte auf die Equipage und sagte:
    „Ravenow, diese hier!“
    „Ah, einverstanden, ganz und gar einverstanden!“ rief dieser in einem beinahe jubelnden Ton.
    Er zupfte sich die Uniform zurecht, warf einen Blick in den Spiegel und nahm den Degen unter den Arm. Dann eilte er hinaus.
    „Ein Glückspilz, auf Ehre!“ schnarrte der lange Hauptmann, indem er ihm neidisch nachblickte. „Ich bin doch begierig, wie er es anfangen wird!“
    „Pah, er wird ihnen per Droschke nachfahren, um zunächst ihre Adresse zu erfahren“, meinte einer der Herren.
    Golzen lachte kühl und antwortete:
    „Und dabei einen Tag versäumen. Nein, er wird Sorge tragen, mit ihnen bereits heute in ein Gespräch

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