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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Mitteilung ersuchen, wer meine Doppelgängerin ist?“
    „Gewiß, gewiß, Fräulein Sternau! Es ist meine Kusine Marsfelden.“
    „Marsfelden?“ fragte Rosa, indem ein eigentümlicher Blick von ihr hinüber zu ihrer Großmutter glitt. „Marsfelden ist ein adliger Name. Wo befindet sich diese Kusine, welche also Paula von Marsfelden heißt?“
    Das Gesicht des Leutnants klärte sich auf. Er vermutete aus der an ihn gerichteten Frage, daß die Dame bereit sei, auf ein Gespräch mit ihm einzugehen, und dies war es ja gerade, was er beabsichtigt hatte. Er glaubte überhaupt ein leichtes Spiel zu haben. Die Damen hießen einfach Sternau, waren also bürgerlich, und welches Mädchen aus diesem gewöhnlichen Stand wäre nicht ganz glücklich, einen Gardeleutnant kennenzulernen, der noch dazu ein Graf war. Er vermutete nicht im geringsten eine Verfänglichkeit in der Frage Rosas und antwortete darum höchst unbefangen:
    „Ja, Paula von Marsfelden. Sie ist am Hof der Großherzogin von Hessen-Darmstadt. Da sie von der Großherzogin bevorzugt wird und immer in ihrer Nähe ist, wunderte ich mich außerordentlich, sie hier in Berlin zu sehen. Ich muß ihr wirklich heute gleich schreiben, daß es in unserer Residenz ein so schönes und bewunderungswertes Ebenbild von ihr gibt.“
    Es lag ein höchst fatales, beleidigendes Lächeln um den kleinen Mund des Mädchens, als sie jetzt antwortete:
    „Ich ersuche Sie, sich diese Mühe zu ersparen!“
    „Warum, mein Fräulein?“
    „Weil ich selbst Fräulein von Marsfelden davon benachrichtigen werde.“
    „Sie selbst? Aus welchem Grund?“
    „Weil diese Dame meine Freundin ist. Ich teile Ihnen, allerdings fast überflüssiger Weise mit, daß auch ich die Ehre habe, von der Großherzogin bevorzugt zu werden, wie Sie sich auszudrücken beliebten.“
    „Ah!“
    Diese Silbe klang fast wie ein Ruf des Schreckens. Er sah ein, daß er, wenn auch nicht das ganze Spiel, so doch den Hauptzug verloren geben müsse. Dieses bürgerliche Mädchen hatte Zutritt am großherzoglichen Hof? Dieses Mädchen kannte jene Dame, deren Namen er genannt hatte, nur weil ihm gerade kein anderer eingefallen war? Paula von Marsfelden war mit ihm nicht im geringsten verwandt, er hatte sie nur seine Kusine genannt, um einen Grund für die unverfrorene Beschlagnahme der Equipage zu haben.
    „Sie erschrecken?“ sagte Rosa mit stolzer Kälte. „Ich habe mich also in Ihnen nicht getäuscht. Mein Herr, Sie sind zwar Graf und Offizier, aber nichtsdestoweniger ein Lügner, ja geradezu ein Bube, ein sehr frecher Bube!“
    „Fräulein!“ brauste er auf.
    „Leutnant!“ entgegnete sie mit tiefster Verachtung.
    „Wären Sie ein Mann, so müßten Sie mir sofort Satisfaktion geben, bei Gott und meiner Ehre! Kann ich für eine Ähnlichkeit, welche der einzige Grund meines Irrtums ist?“
    Jetzt wollte Frau Sternau in höchster Entrüstung das Wort ergreifen, doch Rosa bat sie durch eine Handbewegung, zu schweigen, und übernahm die Antwort selbst. Man hätte einem jungen Mädchen, wie sie war, kaum die schlagfertige Schärfe zutrauen mögen, mit welcher sie entgegnete:
    „Schweigen Sie! Wäre ich ein Mann, so würde ich mich nur mit satisfaktionsfähigen Herren schlagen. Ob Sie bei Ihrer Ehre schwören dürfen, bezweifle ich, denn Ihr Benehmen dokumentiert einen vollständigen Mangel allen Ehrgefühles. Und was die Ähnlichkeit betrifft, auf welche Sie sich zu stützen suchen, so ist sie einfach eine ganz gemeine Unwahrheit. Fräulein von Marsfelden ist mir ebensowenig ähnlich, wie Sie sich mit einem Ehrenmann vergleichen lassen. Sie haben ganz einfach ein wohlfeiles Abenteuer gesucht; Sie habe es gefunden, wenn auch in anderer Weise, als Sie es dachten. Sie sehen jedenfalls ein, daß Ihre mehr als zweifelhafte Rolle ausgespielt ist, und darum ersuche ich Sie, uns zu verlassen!“
    Das war eine Abfertigung, wie der Leutnant noch keine erfahren hatte, aber er war ein Lebemann, der nicht gewillt war, sich auf diese Weise den Laufpaß geben zu lassen. Sollte er gleich am Anfang des Abenteuers seine Wette verloren geben? Nein, dazu war ihm sein Pferd zu kostbar. Und es gab ja in dieser Verzweiflung Ressourcen, die ihm die Hoffnung gaben, das Spiel zu gewinnen. Er nahm eine möglichst zerknirschte Miene an und sagte:
    „Nun wohl, gnädiges Fräulein, ich muß Ihnen teilweise Recht geben. Ich befinde mich in einer Lage, welche mir keine Wahl läßt, ich sehe mich gezwungen, Ihnen die Wahrheit zu bekennen, selbst auf

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