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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zu kommen.“
    „Wie wird er dies anfangen?“
    „Das laßt seine Sorge sein! Er hat in diesem Punkt Erfahrung genug, und um einen Araber zu retten, strengt man schon seine Erfindungsgabe an.“
    „Ah, er nimmt wirklich eine Droschke und fährt ihnen nach. Wer doch dabei sein könnte!“
    Ravenow hatte wirklich einen Fiaker genommen, welcher an der naheliegenden Haltestation sehr leicht zu haben war. Er gebot dem Kutscher, die Equipage, welche von zwei Trakehnern gezogen wurde, zu verfolgen. Die zwei Fuhrwerke bogen nach dem Tiergarten ein, und es wurde ersichtlich, daß die Besitzerinnen der Equipage eine Spazierfahrt durch den letzteren beabsichtigten.
    Als man eine sehr wenig belebte Allee erreichte, befahl der Leutnant dem Kutscher, die Equipage zu überholen, griff aber vorher in die Tasche, um ihn zu bezahlen. Als die Droschke an den Damen vorüberrollte, bog er sich seitwärts nach ihnen hin, machte ein sehr überraschtes Gesicht und grüßte in einer Weise, als ob er Bekannten begegne. Er winkte dem Kutscher der Equipage, zu halten, und sprang zu gleicher Zeit aus seinem Wagen, welcher sofort umlenkte und zurückkehrte. Die Equipage hielt.
    „Weiter!“ gebot er, und während sie sich wieder in Bewegung setzte, hatte er bereits den Schlag geöffnet und stieg ohne Umstände ein.
    Er ließ sich mit einem vor Freude strahlenden Gesicht auf den Sitz nieder und tat so, als ob er die erstaunten, ja indignierten Mienen der beiden Damen gar nicht bemerke. Dann streckte er dem Mädchen die beiden Hände entgegen und rief mit außerordentlich gut gespieltem Enthusiasmus:
    „Paula, ist's möglich? Welch ein Zusammentreffen! Sie sind in Berlin? Warum haben Sie mir nicht vorher geschrieben?“
    „Mein Herr, Sie scheinen uns zu verkennen!“ sagte die ältere Dame mit einem sehr ernsten Gesicht.
    Er markierte eine Miene, welche teils Überraschung ausdrückte, teils die Vermutung aussprach, daß man mit ihm scherzen wolle, und antwortete:
    „Ah, gnädige Frau, Verzeihung! Wie es scheint, habe ich allerdings noch nicht die Ehre, von Ihnen gekannt zu sein, Paula jedoch wird diesen Umstand gern beseitigen.“ Und sich zu der jungen Dame wendend, bat er: „Bitte Fräulein, haben Sie die Güte, mich dieser Dame vorzustellen!“
    Aus den tiefen, ernsten Augen des Mädchens fiel ein sehr forschender, scharfer Blick auf ihn, und dann hörte er eine Stimme, goldig und wohltuend, wie der sympathische Klang eines Glöckchens:
    „Dies ist mir unmöglich, denn ich kenne Sie selbst nicht. Wer sind Sie?“
    Da fuhr er mit dem Ausdruck der höchsten Befremdung zurück und sagte: „Wie, Sie verleugnen mich, Paula! Womit habe ich das verdient? Ah, ich vergesse, daß Sie immer gern ein wenig zu scherzen belieben!“
    Wieder traf ihn ein forschender Blick, aber finsterer als vorher, und als sie antwortete, sprach sich eine so stolze, hoheitsvolle Zurückweisung in dem Ton aus, daß er sich vollständig erkältet fühlte:
    „Ich scherze nie mit Personen, welche ich nicht kenne oder nicht zu kennen wünsche, mein Herr. Ich hoffe, daß es nichts anderes ist, als eine mir allerdings fatale Ähnlichkeit, welche Sie veranlaßt, unseren Wagen so ohne alle weiteren Umstände zu überfallen, und bitte Sie, sich zu legitimieren!“
    Es gelang ihm sehr gut, die höchste Bestürzung zu forcieren, und mit ebenso gut simulierter Hastigkeit antwortete er:
    „Ah, wirklich? Mein Gott, sollte ich mich wirklich täuschen! Aber dann wäre ja diese Ähnlichkeit eine so frappante, wie ich sie nie und nimmermehr für möglich gehalten hätte. Aber das Rätsel muß sich ja gleich lösen.“ Und mit einer doppelten Verbeugung gegen die beiden Damen, fügte er hinzu: „Mein Name ist Hugo von Ravenow, Graf Hugo von Ravenow, Leutnant bei den Gardehusaren Seiner Majestät.“
    „So bestätigt es sich, daß wir Sie nicht kennen“, sagte das Mädchen. „Mein Name ist Rosa Sternau, und diese Dame ist meine Großmama.“
    „Rosa Sternau?“ fragte er scheinbar ganz erschrocken. „Ist dies denn wirklich möglich? Sie sehen mich ganz und gar erschreckt, auf Ehre, meine Damen! Ich bin allerdings das Opfer einer ganz außerordentlichen, ganz unglaublichen Ähnlichkeit und ersuche Sie dringend, mir zu verzeihen!“
    „Wenn es sich wirklich um eine solche Ähnlichkeit handelt, so müssen wir allerdings verzeihen“, sagte Rosa, aber in ihrem Ton sowohl, als auch in dem Blick ihres prächtigen Auges sprach sich ein dunkler Unglaube aus. „Darf ich Sie um die

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