45 - Waldröschen 04 - Verschollen
versuchen. So wird der Mensch ganz und gar alle, so geht er zu Grabe. Man muß Hilfe suchen; nicht bei einem Doktor und bei einem Apotheker, sondern wo ganz anders. Zerstreuung ist das Beste. Wie wäre es mit einer Reise?“
Der Herzog schüttelte den Kopf.
„Hier habe ich Ruhe gefunden, hier bleibe ich“, sagte er.
„Und die anderen?“
„Die denken ebenso, ich bin es überzeugt.“
„Also da wäre es mit meinem Vorschlag nichts“, meinte Rodenstein nachdenklich. „Ließe sich denn nicht etwas anderes finden? Hm! Vielleicht treffe ich es. Also Sie wollen am liebsten hier bleiben?“
„Das ist mein Wunsch.“
„Und die anderen?“
„Sie haben denselben Wunsch. Wir setzen natürlich voraus, daß wir Ihnen nicht beschwerlich fallen.“
Da blieb der Hauptmann schnell stehen, blickte den Herzog verwundert an, machte sein allergrimmigstes Gesicht und antwortete:
„Das ist's ja eben, Sie fallen mir beschwerlich, ganz außerordentlich beschwerlich. Ich halte es nicht länger aus.“
„Ah, Sie scherzen!“ meinte der Herzog lächelnd.
„Ich scherzen! Fällt mir gar nicht ein!“ brauste da der Hauptmann auf. „Ich habe da diese vielen Menschen auf dem Hals, muß diese sauren Gesichter sehen. Das geht nicht länger. Ich brauche meinen Platz selbst, habe ihn erst schon gebraucht und brauche ihn jetzt noch viel notwendiger.“
Der Herzog erschrak fast bei diesen Worten.
„Aber mein bester Rodenstein“, bat er, „sagen Sie mir doch, ob dies wirklich Ihr Ernst ist?“
„Mein voller, richtiger Ernst. Ich mag diese trübselige Einquartierung nicht mehr bei mir leiden. Sie wollen hier bleiben, und ich leide es nicht, was bleibt da übrig, Hoheit? Haben Sie Geld?“
„Wenn es an diesem fehlt, so –“
„Pah, ich brauche keins! Ich frage nur, ob Sie Geld haben. Ja oder nein?“
„Ja.“
„Nun gut, so bauen Sie! Mein Nachbar, der Baron Hauwald, verkauft. Kaufen Sie ihm seinen Krimskrams ab, er verlangt nicht zu viel. Dann bauen Sie, bauen ein hübsches, nettes Schlößchen, an welchem die Damen etwas Neues sehen und ihre Freude haben. Bauen Sie da ein Maleratelier für meinen Sohn und Ihre Flora. Bauen Sie ein kleines Rodriganda für unsere arme, liebe Rosa und ihr Röschen. Das gibt Zerstreuung. Verstehen Sie mich?“
Da konnte sich der Herzog nicht länger halten. Er streckte dem Hauptmann dankend beide Hände entgegen und rief:
„Ja, jetzt verstehe ich Sie, Sie lieber, grober Oberförster. Jetzt weiß ich, wie Sie es meinen. Ja, ich werde Ihren Rat befolgen, ich werde kaufen und bauen, und wir wollen sehen, ob es Segen bringt.“
„Es bringt Segen, darauf dürfen Sie sich verlassen!“ –
Drei Jahre waren seit Röschens Geburt vergangen, da wurde der Grundstein zu dem neuen Schloß gelegt. Der Plan hatte die Teilnahme aller erhalten. Mitten im Park sollte das Schloß von Rodriganda in Miniatur hinkommen.
Endlich wurde das Schloß fertiggestellt und der Herzog lud zur Einweihung desselben den Adel der Umgegend ein. Es verstand sich von selbst, daß der Großherzog nebst Gemahlin erschien. Die letztere fuhr mit einigen ihrer Hofdamen etwas vorher, um vorerst nach Klein-Rodriganda zu gehen und ihr liebes Patenkind zu sehen. Da sahen sie etwas Helles durch die Büsche schimmern. Sie traten näher und erblickten Röschen mit einem aus Tannenreisern und Hageröschen geflochtenem Strauß auf dem Kopf und einer eben solchen Girlande um den Leib. Kurt kniete vor ihr, um sie zu schmücken. Die beiden Kinder erschraken nicht, als sie die hohe Frau erblickten, sondern traten getrost näher.
„Was spielt ihr da?“ fragte die Großherzogin freundlich.
„Weil Röschen jetzt im Wald wohnt, möchte sie gern Waldröschen heißen, und so habe ich sie gerade wie ein Waldröschen geschmückt.“
Da bog sich die Großherzogin, hingerissen von der kindlichen Schönheit des lieblichen Wesens, zu ihr nieder, küßte sie und sagte gerührt:
„Ja, du sollst Waldröschen heißen, denn du bist so zart und rein, so hold und so schön wie die Blüten, welche du trägst. Gott schütze dich, mein Liebling!“
Seit jener Stunde wurde Röschen Waldröschen genannt. Kurt hatte ihr diesen Namen gegeben, und die Großherzogin hatte ihn bestätigt.
Am anderen Tag ging Röschen wieder in den Park. Sie suchte Kurt und fand ihn nicht. Darum ging sie weiter. Da endlich sah sie ein kleines Häuschen vor sich. Sie sah die Pforte des Stacketenzäunchens offen und die Tür der Hütte angelehnt und trat ein.
Aber fast
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