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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hervor, überreichte es mit einer dienstlichen Abschiedsbewegung und sagte:
    „Zu Befehl, Herr Oberst! Zuvor aber diese Zeilen, welche ich von Seiner Exzellenz den Befehl habe zu überreichen.“
    Er drehte sich um und verließ sporenklirrend das Zimmer. Der Oberst hielt das Kuvert in der Hand, doch seine Augen ruhten auf dem Adjutanten.
    „Ein renitenter Kerl“, meinte er zornig.
    „Man wird ihm seine Kartoffel unter die Nase reiben“, antwortete dieser.
    „Ich kann nicht begreifen, daß die Exzellenz ihm eine dienstliche Zufertigung anvertraut! Oder sollte der Inhalt privater Natur sein? Will sehen!“
    Er öffnete und las:
    „Herr Oberst!
    Überbringer ist von kompetenter Seite warm empfohlen. Ich erwarte, daß dies von seinen Kameraden ebenso berücksichtigt werde, wie ich bereit bin, nach Prüfung seiner Fähigkeiten dieselben anzuerkennen. Ich wünsche nicht, daß seine bürgerliche Abstammung ihn um das freundliche Willkommen bringe, welches er erwarten wird.“
    Der Oberst stand, als er dies gelesen hatte, mit geöffnetem Mund da.
    „Alle Teufel!“ rief er. „Das ist ja geradezu eine Empfehlung! Und noch dazu vom Minister selbst, eigenhändig geschrieben und adressiert! Aber es kann mir nicht einfallen, eine solche Bresche in unseren aristokratischen Zirkel sprengen zu lassen. Hier hört selbst die Macht eines Ministers auf. Und dieser Helmers ist mit seinem widerstrebenden Auftreten nicht der Mann, dem zu Liebe man unsere alten und wohlberechtigten Regeln umstürzen möchte.“
    Kurt fuhr zum Major, bei welchem gerade er zu dieser Zeit der Gegenstand des Gespräches war. Der Rittmeister befand sich mit seiner Frau bei Majors und außerdem gab es da noch einen jungen Leutnant, welcher ein Verwandter der letzteren war. Er war heute beim Abschuß der Wette und auch während des Diners zugegen gewesen, hatte sich dabei jedoch sehr schweigsam verhalten und erzählte jetzt den Vorgesetzten und ihren beiden Damen den Vorgang. Dabei kam natürlich die Rede auch auf den neuen, bürgerlichen Kameraden, dessen Eintritt in das Regiment der Adjutant verkündigt hatte. Sowohl der Major als auch der Rittmeister schlossen sich dem allgemeinen Beschluß, Helmers abweisend zu behandeln, an, aber der Leutnant meinte mit schöner Freimütigkeit:
    „Man sollte einen solchen Beschluß doch nicht fassen, ohne den Kameraden zuvor kennengelernt zu haben. Er ist zwar bürgerlich, aber das schließt ja doch nicht aus, ein Ehrenmann zu sein. In diesem Fall muß er sich fürchterlich beleidigt fühlen, er wird mit aller Gewalt provoziert, und es ist nicht abzusehen, welche Händel da entstehen können.“
    „Pah, Sie sind zu weichherzig, mein lieber Platen“, meinte der Major. „Das ist ein Jugendfehler. In zehn Jahren werden Sie ähnliche Fälle sicher ganz anders beurteilen. Es drängt sich keine Krähe ungestraft in den Kreis der Falken und Adler ein. Plebs bleibt Plebs, ich kenne das. Dieser Eindringling wird mir heute jedenfalls seine Antrittsvisite machen, und er soll sofort merken, was er von uns zu erwarten hat.“
    Bereits während dieser letzten Worte hatte sich das Rollen eines leichten Wagens hören lassen. Jetzt öffnete sich die Tür und der Diener meldete den Leutnant Helmers.
    „Ah, Lupus in fabula!“ sagte der Hauptmann, indem er sein Gesicht in strenge Falten legte.
    „Eintreten!“ befahl der Major, indem er kampfbereit den Schnurrbart strich, sich aber keinen Zoll hoch vom Sitz erhob.
    Kurt trat ein. Er sah die finsteren Blicke der beiden Offiziere und die zusammengekniffenen, hochmütigen Augen der Damen; es war ihm nicht zweifelhaft, welcher Empfang ihn auch hier erwartete. Er stellte sich in dienstliche Positur und harrte, bis man ihn anreden werde.
    „Wer sind Sie?“ fragte der Major schroff.
    „Leutnant Helmers, Herr Major. Ich hörte, daß Ihr Diener Ihnen diesen Namen bereits nannte.“
    Mit diesen Worten parierte Kurt den ersten Hieb. Der Major schien dies nicht zu beachten und fuhr fort:
    „Sie waren bereits beim Oberst?“
    „Zu dienen!“
    „Haben Sie Ihre Instruktionen wegen Ihres Eintrittes von ihm empfangen?“
    „Allerdings.“
    „So habe ich nichts hinzuzufügen. Sie mögen abtreten!“
    Er hatte nicht die geringste Miene gemacht, sich zu erheben, der Rittmeister ebensowenig; nur Leutnant Platen war aufgestanden und hatte Kurt mit kameradschaftlicher Freundlichkeit zugenickt. Dieser wendete sich nicht, um das Zimmer zu verlassen, wie erwartet worden war, er ließ seinen Blick

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