45 - Waldröschen 04 - Verschollen
einem Supplikanten, für den Sie mich doch gehalten haben, seine Verhältnisse mitteilt?“
„Wer oder was sind Sie?“
Kurt machte ein sehr mürrisches Gesicht und antwortete:
„Das tut nichts zur Sache. Sie scheinen auch so ein vornehmer Herr zu sein, und da kümmert es Sie nicht, wie ich heiße und was ich bin.“
Das Gesicht des Kapitäns zeigte nicht die mindeste Mißbilligung über diese Antwort. Sein Auge blitzte vielmehr befriedigt auf, und in einem beruhigenden Ton meinte er:
„Abgeblitzt! Das gefällt mir. Ich liebe die verschwiegenen Charaktere, denn man kann sich auf sie verlassen. Waren Sie oft im Palais da drüben?“
„Nein“, antwortete Kurt, allerdings ganz der Wahrheit gemäß.
„Werden Sie wieder hinüberkommen?“
„Ja, ich muß sogar.“
Da rückte der Kapitän näher und fragte mit halber Stimme:
„Hören Sie, junger Mann, Sie gefallen mir. Haben Sie Vermögen?“
„Nein. Ich bin arm.“
„Wollen Sie sich eine gute Gratifikation verdienen?“
„Hm! Womit?“
„Ich möchte die Verhältnisse dieses Herzogs genau erfahren, und da Sie bei ihm wieder Zutritt nehmen, so ist es Ihnen leicht, verschiedenes zu erfahren. Wollten Sie mir dies mitteilen, so würde ich Ihnen dankbar sein.“
„Ich will es mir überlegen“, sagte Kurt nach einigem Nachdenken.
„Das genügt mir. Ich sehe, daß Sie vorsichtig sind, und das bestärkt mein Vertrauen zu Ihnen. Es ist möglich, daß ich Ihnen nützlich sein kann!“ Und indem sein Blick den Anzug Kurts überflog, fügte er hinzu: „Wenn Sie wollen, können Sie sich bei mir ein Sümmchen verdienen, welches Ihnen von Nutzen sein wird. Und dann, nachdem Sie mich als einen Mann kennengelernt haben, der nicht zu knausern pflegt, werden Sie auch mitteilsamer werden. Ich bin hier fremd und brauche einen Mann, auf den ich mich verlassen kann.“
„Was hat dieser Mann zu tun?“ fragte Kurt, indem er sich den Anschein gab, als ob er sich über die versteckte Offerte seines Gegenübers freue.
Dieser warf abermals einen stechenden Blick auf ihn. Kurt war einfach gekleidet und gab sich Mühe, ein unbefangenes, alltägliches Gesicht zu zeigen. Dies beruhigte den Kapitän. Er gewann die Ansicht, daß dieser junge, jedenfalls noch unerfahrene Mensch, dessen Züge übrigens von Klugheit zeugten, sich recht gut und ohne Gefahr benutzen lassen werde, und darum sagte er:
„Sie verschweigen, wer Sie sind. Darf ich wenigstens wissen, wer Ihr Vater ist?“
„Mein Vater ist ein Schiffer.“
„Ah, also gehören Sie nicht zu den vornehmen Leuten. Sie suchen vielleicht eine Stellung?“
„Ich habe sie zugesagt erhalten, aber man macht mir Schwierigkeiten.“
Das war dem Kapitän willkommen. Er sagte mit der Miene eines Protektors: „Lassen Sie sie fahren. Ich kann Ihnen ein jedenfalls besseres Unterkommen verschaffen, wenn ich sehe, daß Sie sich nützlich zu machen verstehen. Sie müßten allerdings eine kleine Portion Schlauheit besitzen.“
Kurt zwinkerte höchst unternehmend mit den Augen und antwortete:
„Daran fehlt es wahrscheinlich nicht, wie Sie bald erkennen sollen.“
„Aber ich müßte erfahren, wer Sie sind und wie Sie heißen.“
„Gut. Sie sollen es erfahren, sobald ich Ihnen bewiesen habe, daß ich zu gebrauchen bin. Ich will Ihnen nämlich sagen, daß ich hier an gewissen Orten nicht gut angeschrieben stehe; das veranlaßt mich, vorsichtig zu sein.“
Der Kapitän nickte erfreut. Er gewann die Ansicht, es hier mit einem Menschen zu tun zu haben, der in irgendeiner Beziehung mit der bestehenden Ordnung zerfallen sei und sich also zu einem fügsamen Werkzeug ausbilden lassen werde. Er antwortete:
„Das genügt einstweilen. Ich engagiere Sie und gebe Ihnen einen kleinen Vorschuß auf das Honorar für die Dienste, welche Sie mir leisten werden. Hier haben Sie fünf Taler.“
Er zog die Börse und legte die erwähnte Summe auf den Tisch. Kurt jedoch schob das Geld zurück und entgegnete:
„Ich bin nicht so sehr abgebrannt, daß ich eines Vorschusses bedarf, mein Herr. Erst die Arbeit und dann der Lohn; das ist das Richtige. Was habe ich zu tun?“
Das Gesicht des Kapitäns zeigte, daß er sehr zufriedengestellt sei.
„Ganz wie Sie wollen“, sagte er. „Auch ich bin ein Anhänger Ihres Grundsatzes, den wir also befolgen wollen. Ihr Schaden wird es nicht sein. Was Sie zu tun haben, fragen Sie? Zunächst haben Sie sich zu erkundigen nach dem Herzog von Olsunna, nach seinen häuslichen Verhältnissen, nach den Gliedern
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