45 - Waldröschen 04 - Verschollen
Kapitän sich nach der entgegengesetzten Richtung entfernte, so konnte er ziemlich sicher sein, von ihm nicht überrascht zu werden.
Er erreichte das Haus, trat in die Gaststube und verlangte zu trinken. Ein Kellnermädchen brachte ihm das verlangte. Es fiel ihm auf, daß sie ihm mit einer erfreuten Miene zulächelte. Er sah ihr fragend in das hübsche Gesicht; sie mochte es als Aufforderung nehmen und sagte:
„Kennen Sie mich nicht mehr, Herr Leutnant?“
Er besann sich, und da kam ihm plötzlich eine heimatliche Erinnerung.
„Sapperlot!“ sagte er. „Ist's wahr? Sind Sie nicht Uhlmanns Bertha aus Bodenheim?“
„Ja, die bin ich“, lachte sie fröhlich. „Ich bin oft in Rheinswalden gewesen und habe Sie da gesehen.“
„Aber ich Sie nicht seit mehreren Jahren, und dies ist der Grund, daß ich Sie nicht sogleich erkannt habe. Wie aber kommen Sie nach Berlin?“
„Bei uns sind der Geschwister zu viele, und da meinte der Vater, ich soll es einmal mit einer Kondition versuchen. Ich ging in meine jetzige Stellung, weil der Wirt hier ein entfernter Verwandter von mir ist.“
„Das ist mir außerordentlich lieb. Ich freue mich sehr, gerade Sie hier zu finden.“
„Warum?“
„Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten.“
„Tun Sie es, Herr Leutnant! Wenn ich Ihnen einen Wunsch erfüllen kann, so tue ich es herzlich gern.“
„Vor allen Dingen ersuche ich Sie, es hier nicht hören zu lassen, daß ich Offizier bin! Wohnt ein Kapitän Parkert bei Ihnen?“
„Ja, seit kurzer Zeit. Er hat die Nummer zwölf.“
„Mit wem verkehrt er?“
„Mit niemand. Er geht sehr viel aus. Nur ein einziger Herr war hier, der mit ihm sprechen wollte.“
„Wer war es?“
„Er nannte keinen Namen, aber er wollte in einiger Zeit wiederkommen.“
„Konnten Sie aus seinem Äußeren nicht darauf schließen, was er sei?“
„Er kam mir vor wie ein Offizier in Zivil. Sein Gesicht war sehr von der Sonne verbrannt, und er sprach das Deutsch fast wie ein Franzose.“
„Hm! Sie sagten, daß der Kapitän Nummer zwölf habe.“
„Ja.“
„Ist Nummer elf besetzt?“
„Ja, aber sie liegt in einem anderen Korridor. Nummer zwölf ist ein Eckzimmer.“
„Und Nummer dreizehn?“
„Steht leer.“
„Ist eine starke Wand zwischen den beiden Zimmern?“
„Nein. Sie sind sogar durch eine Tür verbunden, welche jedoch verschlossen ist.“
„So könnte man vielleicht in Nummer dreizehn verstehen, was in Nummer zwölf gesprochen wird?“
„Ja, wenn man nicht zu leise redet.“ Und mit einem schlauen Lächeln fuhr sie fort. „Sie haben wohl ein Interesse an diesem Parkert?“
„Allerdings; aber es darf niemand wissen!“
„Oh, ich bin verschwiegen. Übrigens dieser Mensch gefällt mir nicht, und einem so lieben Landsmann wie Sie sind, kann man wohl gern einen Gefallen tun!“
„Darf ich Nummer dreizehn einmal ansehen?“
„Das versteht sich!“
„Aber möglichst, ohne daß es jemand bemerkt.“
„Keine Sorge! Es befindet sich niemand von der Bedienung oben. Ich hole Ihnen den Schlüssel, und Sie gehen einfach die Treppe hinauf. Rechts ist die vorletzte Tür; die letzte führt nach Nummer zwölf.“
Sie entfernte sich und brachte sehr bald den Schlüssel, den sie ihm heimlich zusteckte. Er verließ bald darauf das Zimmer, stieg die Treppe empor und fand den Korridor leer.
Der Schlüssel öffnete ihm die betreffende Tür, und er fand eine Schlafstube, in welcher sich ein Bett, ein Kleiderschrank, ein Waschtisch, ein Tisch nebst Sofa und zwei Stühle befanden.
Die Tür war verschlossen und zwar von beiden Seiten, wie er bemerkte. Er öffnete den Schrank und fand ihn leer. Die Tür desselben ging auf, ohne das mindeste Geräusch zu verursachen.
Vollständig zufriedengestellt, kehrte er nach unten zurück, ohne von irgend jemand bemerkt worden zu sein. Als die Kellnerin wieder zu ihm trat, um den Schlüssel wieder in Empfang zu nehmen, fragte sie:
„Gefunden?“
„Ja“, nickte er.
„Wie es scheint, möchten Sie den Kapitän einmal belauschen?“
„Das ist allerdings mein Wunsch. Gibt er seinen Schlüssel ab, wenn er ausgeht?“
„Nein. Er tut sehr geheimnisvoll mit seinen Effekten. Er bleibt sogar im Zimmer, wenn dasselbe aufgeräumt und gesäubert wird, und wenn er fortgeht, so steckt er seinen Schlüssel ein, ohne daran zu denken, daß doch jeder Wirt einen Hauptschlüssel hat.“
„Hm! Wollen Sie mich einmal in Nummer dreizehn lassen, wenn er in seinem Zimmer Besuch
Weitere Kostenlose Bücher