45 - Waldröschen 04 - Verschollen
allerdings sehr treffend.“
„Ich lernte ihn bei meinem Onkel in Mainz kennen, der sein Bankier ist.“
„Sein Bankier? Dieser heißt Wallner, soviel ich weiß.“
„Das ist richtig. Ich muß Ihnen nämlich erklären, daß meine Tante, die Schwester meiner Mutter, eine sogenannte Mesalliance eingegangen ist. Sie hat diesen Wallner, also einen Bürgerlichen geheiratet, der infolgedessen auch ein Verwandter Ihres und meines Majors geworden ist, denn der letztere ist mein Cousin.“
Die anderen Herren warfen sich einander erstaunte Blicke zu. Was fiel denn Platen ein, mit solcher Offenheit diese Familienverhältnisse darzulegen und damit den Major bloßzustellen? Kurt aber verstand die Absicht: Platen wollte ihm Satisfaktion geben für die Aufnahme, die er bei Majors gefunden hatte, und zugleich den stolzen Offizieren gegenüber in Erwähnung bringen, daß in den hochadeligen Kreisen denn doch nicht alles so rein sei, wie man denkt.
Die zweite Partie begann. Kurt gewann sie wieder. Während der dritten wurde die allgemeine Aufmerksamkeit auf Ravenow und Golzen gelenkt, welche sich in freundschaftlich lustiger Weise zu foppen begannen.
„Wahrhaftig, du bist mir wieder fünfzehn Points voraus“, meinte Ravenow. „Unglück im Spiel!“
„Aber Glück in der Liebe, wie ich dir bereits erklärte“, meinte Golzen.
„Ja, eine Wette wirst du doch bezahlen müssen. Das Mädchen wird mein, sie ist ja bereits mein, genau genommen.“
„Welche Wette? Welches Mädchen?“ fragte der bereits zweimal erwähnte Major, welcher entweder von der Wette wirklich noch nichts wußte, oder sie noch einmal zur Sprache bringen wollte.
„Es handelt sich für Ravenow um eine Gelegenheit, zu beweisen, daß er wirklich unwiderstehlich ist“, antwortete Golzen.
„Erklären Sie sich deutlicher!“
Golzen erzählte den interessanten Hergang, und alle hörten seinem Bericht zu. Auch die beiden Schachspieler unterbrachen ihre Partie, um der Darlegung ihre Aufmerksamkeit zu schenken.
„Ja, Ravenow ist der Don Juan des Regimentes. Er behauptet, diese Schönheit bereits erobert zu haben“, schloß Golzen.
„Ist dies wirklich wahr?“ fragte der Oberst, der es für an der Zeit hielt, endlich auch einmal ein Wort zu sagen, um seine peinliche Lage zu maskieren.
„Das versteht sich“, antwortete Ravenow. „Wer ist überhaupt unwiderstehlich? Nicht ich allein, sondern jeder Gardehusarenoffizier. Freilich, wenn sich niedrige Elemente in unseren Kreis drängen dürfen, wird dieses Monopol für uns sehr bald illusorisch werden.“
Bei diesem rücksichtslosen Ausfall richteten sich aller Augen wiederum auf Kurt, welcher jedoch abermals schwieg. Ravenow fuhr fort, nachdem er eine Entgegnung von dem neuen Kameraden vergebens erwartet hatte:
„Die Zeit, für welche wir gewettet haben, ist noch nicht um; ich brauche also noch keine Beweise zu bringen; aber das Mädchen war eine obskure Kutscherstochter, und der wird man wohl gewachsen sein. Ich kann einstweilen nur sagen, daß ich in ihrem Wagen Platz genommen und sie nach Hause begleitet habe.“
„Eine Kutscherstochter?“ lachte der Oberst. „Gratuliere, Leutnant! Da ist es ja leicht, die Wette zu gewinnen!“
Da zog Kurt eine Zigarre hervor und sagte, während er gleichmütig die Spitzen derselben abschnitt und nach einem Zündhölzchen griff:
„Pah! Herr von Ravenow wird diese Wette verlieren!“
Nachdem er sich zweimal ruhig von Ravenow hatte beleidigen lassen, hatte kein Mensch erwartet, daß er jetzt, in einer Angelegenheit, die er scheinbar gar nicht kannte, das Wort ergreifen würde. Alle horchten darum verwundert auf. Ravenow aber trat schnell einen Schritt vor und sagte:
„Wie beliebt, mein Herr Helmers?“
Kurt hielt die Flamme des Zündhölzchens an die Zigarre, tat gelassen einige Züge und antwortete dann:
„Ich sagte, daß Herr von Ravenow die Wette verlieren werde. Herr von Ravenow renommiert bloß, er schneidet auf!“
Der Genannte trat noch einen Schritt weiter vor und rief:
„Wollen Sie dieses Wort wohl gefälligst einmal wiederholen?“
„Herzlich gern! Herr von Ravenow schneidet nicht bloß auf, sondern er lügt sogar ganz gewaltig.“
„Herr“, brauste da der Angegriffene auf. „Das wagen Sie mir zu sagen, der ich Offizier der königlichen Garde bin? Und hier an diesem Ort?“
„Warum nicht? Wir befinden uns ja beide an diesem Ort, und ich bin ebenso Offizier der königlichen Garde wie Sie. Ich würde es übrigens sehr unter meiner
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